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Stadt der Piraten

Stadt der Piraten

Titel: Stadt der Piraten
Autoren: Ernst Vlcek
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Zärtlichkeit über das gequälte Gesicht. Nyala ließ es mit sich geschehen, als sei sie eine Unbeteiligte, und es war auch wohl so, dass sie noch lange
    nicht zu sich zurückgefunden hatte.
    O'Marns Kopf zuckte hoch, und als er sah, dass Mythor ihn beobachtete, straffte er sich. Er ergriff Nyala um die Hüfte und hob sie auf das Pferd, das hinter ihm stand. Dann schwang er sich selbst in den Sattel.
    Eine Weile verharrte er so, dann trieb er seinen Braunen Chelm durch Fersendruck an und ritt davon. Mythor blickte ihm nach, während die Caer an ihm vorbei zu den Pferden eilten, ihren behinderten Kameraden in die Sättel halfen und dann selbst ihre Reittiere bestiegen.
    »Und weg sind sie«, sagte Nottr und lachte ausgelassen. Er hieb Mythor und Sadagar auf den Rücken und rief: »Freunde, wir sind frei!«
    »Das waren wir schon längst«, sagte Mythor, der nicht die gleiche Begeisterung wie Nottr zeigte. »O'Marn hatte seine eigenen Pläne, in die er uns nicht mit einbezog. Er wartete nur Drundyrs Ende ab, um sie zu verwirklichen.«
    »Und wenn der Caer-Priester den Ungeheuern entkommen wäre?« gab Nottr zu bedenken.
    Da Mythor schwieg, gab Steinmann Sadagar ihm die Antwort: »Dann hätte der Ritter ihn selbst gerichtet. Wenn O'Marns Rebellion gegen die Priesterschaft je bekannt wird, kann das schlimme Folgen für ihn haben. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken.«
    »Ich verstehe«, sagte Nottr. »Er musste Drundyr beseitigen, damit er nicht über ihn berichten konnte. Dieser Schurke hat es verdient.«
    »Was wird jetzt aus uns?« fragte Kalathee.
    »Wir werden uns schon durchschlagen«, versicherte Mythor. »Wir haben unsere Waffen und Pelze gegen die Kälte. Wir brauchen nichts und niemanden zu fürchten.«
    »Seht nur, was ich außer meinen Messern noch gerettet habe«, rief Sadagar und hielt freudestrahlend seinen Geldbeutel hoch. »Zum Glück war keiner der Caer dem Gold verfallen.«
    »Was man von dir nicht sagen kann«, spottete Nottr. Ernster fügte er hinzu: »Und wohin wenden wir uns?«
    »Ich würde vorschlagen, dass wir uns erst einmal entlang der Elvenbrücke durchschlagen«, sagte Mythor. »Dahinter beginnt Tainnia, das völlig von den Caer beherrscht wird, und denen möchte ich tunlichst aus dem Weg gehen.«
    Die anderen hatten gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden.
    *
    Es wurde ein unfreundlicher Tag. Die Wolken hingen tief über dem Land, als drücke sie die Last hinunter, die sie in sich trugen. Die grauen Gebilde waren schwer und wuchtig, ein kalter Wind trieb sie vor sich her, zerriss sie und wehte ihre nebligen Schleier übers Land. Und als die Wolken ihr Gewicht nicht mehr tragen konnten, entluden sie es in dichten, großen Flocken knisternden Schnees.
    Manchmal war das Schneetreiben so dicht, dass man den Freund vor sich nicht sehen konnte. Nottrs Zopf war bald ein eisiger Klumpen. Kalathees Haare, die unter der Fellkapuze ihres Umhanges hervorsahen, gefroren zu Eiszapfen. Sadagars pfiffiges Gesicht verschwand fast hinter dem aufgestellten Pelz; sein lichtes weißblondes Haar wurde zu einem Kranz aus Eis. Einige Male stellte der Sturm seine Standfestigkeit auf eine harte Probe, und einmal verdankte er es nur Nottrs Zugriff, dass er nicht von einer Felskante geweht wurde. Der Barbar bedeutete Kalathee, sich hinter ihm zu halten, damit er sie mit seinem breiten Körper vor den Sturmböen schützen konnte.
    Mythor ging voran. Er stemmte sich, weit nach vorne gebeugt, gegen das Schneetreiben, als könne er mit dem Helm der Gerechten einen Keil in die tobenden Naturgewalten treiben. Es knisterte, wenn die Schneekristalle auf das Metall seines Helmes trafen, und sie zergingen daran, bevor es ihnen gelang, sich zu Eisgebilden zu formieren. Dennoch wurde Mythors Gesicht bald gefühllos. Er atmete mit geschlossenem Mund, und der Atem erkaltete sofort, kaum dass er seine Nase verließ, und legte sich als eisiger Niederschlag auf seine Lippen. Wenn er den Blick hob, um das Gelände vor sich zu überblicken, dann schlugen die Schneeflocken wie eisige Nadeln gegen seine Augen und blendeten ihn.
    Der Schneesturm hatte sie ausgerechnet auf einer kaum bewaldeten Hochebene überrascht. Der Untergrund war steinig und bald gefroren. Es gab nur einige wenige Sträucher und vereinzelte Krüppelbäume, die kaum Schutz boten.
    Zu allem Übel waren sie an dieser Stelle auch noch ziemlich weit von der Elvenbrücke entfernt, so dass nicht einmal der steinerne Wall ihnen vor den eisigen Lüften Schutz bieten
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