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Stadt der Piraten

Stadt der Piraten

Titel: Stadt der Piraten
Autoren: Ernst Vlcek
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konnte. Manchmal, wenn das Schneetreiben nachließ und ihnen die Möglichkeit zu tiefem Luftholen bot, sah Mythor die Elvenbrücke zu seiner Rechten als unebenmäßige Erhebung aufragen. Er versuchte, sich danach und nach dem Wind zu richten, der offenbar von der freien See her kam.
    Aber dann machte er die Erfahrung, dass der Wind launenhaft war und sich drehte. Er kam aus dem Westen, und Mythor, der sich ihm stets entgegenwandte, fand sich auf einmal am Rand der felsigen Hochlandschaft an einem schroffen Abgrund. Unter ihm war der Geborgenheit versprechende Wald von einer wirbelnden Schicht aus Schnee überdeckt, die mit den Blicken kaum zu durchdringen war. Rings um sie war alles weiß. Man konnte fast blind werden.
    Mythor machte sich dennoch nicht an den Abstieg, denn er wollte sich nicht in den weiten Wäldern von Yortomen verlieren. Er konnte seinen Freunden diese Mühsal nicht ersparen, denn etwas drängte ihn, die Nähe der Elvenbrücke zu suchen, wiewohl auch diese nicht ungefährlich war. Denn sie bewegten sich auf unwegsamem Gelände. Es gab viele Spalten zwischen den Felsen, die der darin angehäufte Schnee nicht erkennen ließ. Und die Erinnerung an den Goldenen See ließ ihn ahnen, dass die Elvenbrücke auch sonst noch mancherlei Gefahren bot.
    Dennoch wandte er sich um und schlug wieder die Richtung ein, in der er den steinernen Schutzwall der legendären Elven vermutete. Er dachte daran, dass nicht einmal die Caer viel über dieses Volk wussten und nur sagen konnten, dass es längst schon vergangen sein musste, als die Caer erst damit begannen, eine Kultur aufzubauen und ihre Macht auszudehnen. Damals lag ein geeintes Tainnia noch in weiter Zukunft, und heute war Tainnia wieder zersplittert, wurde aber von den übermächtig gewordenen Caer gewaltsam vereint - unter ihrer Herrschaft natürlich.
    Mit Gedanken über das Werden und Vergehen von Völkern versuchte Mythor seinen Geist anzuregen. Der Helm der Gerechten spendete ihm Wärme und verschaffte ihm so Erleichterung. Seinen Kameraden musste es da ungleich schlechter ergehen.
    Als Mythor sich nach ihnen umdrehte, sah er, dass Sadagars Kopf eine Krone aus vereisten Haaren trug. Nottr schüttelte gerade vehement den Kopf und entledigte sich so des Eisgebildes. Hinter dem Lorvaner tauchte für einen Moment die pelzvermummte Gestalt Kalathees auf, doch sie suchte sofort wieder Schutz hinter Nottrs Rücken.
    Mythor war froh, als er vor sich wieder den steinernen Wall der Elvenbrücke auftauchen sah. Das Schneetreiben ließ nach, bis dem Spiel der Lüfte nur noch vereinzelte Flocken gehorchten. Aber der eisige Wind ließ kaum nach.
    Endlich erreichten sie das Ende des felsigen Hochlands.
    Das Gelände fiel steil ab, und es wuchsen wieder Bäume, die nicht vom Wind verkrüppelt worden waren.
    Die Elvenbrücke erhob sich keinen Steinwurf entfernt rechts von ihnen. Sie erreichte an dieser Stelle eine unglaubliche Höhe, denn sie überspannte diese Talsenke fast in gerader Linie.
    »Beim Kleinen Nadomir!« rief Sadagar atemlos aus. »Ich habe nicht mehr geglaubt, dass wir diesen Schneesturm überleben.«
    »Er hatte auch sein Gutes, denn er hat dich zum Schweigen gebracht«, ließ Nottr sich vernehmen, der den Abstieg über den Hang breitbeinig vornahm, da Kalathee sich auf seinen Schultern abstützte.
    »Ich kann nicht mehr«, sagte Kalathee, deren zartgebauter Körper nicht für solch einen beschwerlichen Marsch geschaffen war.
    Nottr wollte sich des Sackes mit Verpflegung und Ausrüstung entledigen, offenbar um Kalathee zu tragen. Doch Mythor kam ihm zuvor. Wortlos hob er sie auf.
    »Ich muss dir viel zu schwer sein«, sagte Kalathee, aber sie verhehlte dabei nicht, dass sie geschmeichelt war.
    »Ich werde vor dem Zusammenbruch Nottr bitten, mich abzulösen«, sagte Mythor lächelnd.
    »Und wenn auch der Barbar schlappmacht, gönnen wir uns hoffentlich eine Rast«, meinte Sadagar.
    »Wir müssen das Tageslicht nützen und uns beizeiten einen Lagerplatz suchen«, sagte Mythor und schritt mit Kalathee in den Armen voran. Sie war leicht wie eine Feder.
    Mythor war froh, dass er durch den Pelz ihre Körperform nicht spürte. Sie machte ihm ihre Nähe ohnehin zu stark bewusst, und wenn er sie trotzdem trug, dann nur darum, weil er Nottr davor bewahren wollte, wiederum auf Abwege zu geraten und sich falsche Hoffnungen zu machen. Die körperliche Berührung mit Kalathee hätte jene alten Wunden aufreißen können, die der Lorvaner noch nicht ganz ausgeheilt
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