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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition)
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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auf den oberen Treppenstufen ließen eher die Vermutung zu, dass Kate Webster ihr Opfer mit einem Gegenstand angegriffen hatte – vermutlich mit einer Axt, die später im Haus gefunden wurde –, das dadurch in die Tiefe gestürzt war. Wie auch immer es gewesen sein mochte, Julia Martha Thomas überlebte die Auseinandersetzung nicht.
    Anschließend soll sich die Täterin darangemacht haben, die Leiche in Stücke zu zerteilen, um sie besser entsorgen zu können. Es hieß, sie habe den Kopf mit einer Säge abgeschnitten und sämtliche Gliedmaßen mit einem Beil abgehackt. In Überlieferungen von damals finden sich sogar Beschreibungen, wonach sie die Gliedmaßen und den Torso in einem Kupfertopf gekocht und danach das erkaltete Körperfett als Schmalz an die Nachbarn verteilt haben soll.
    Vielleicht wurde mit der Zeit auch einiges dazugedichtet. Immerhin war der Mord lange ein großes Gesprächsthema – und Kate Webster so etwas wie eine Berühmtheit. Die Menschen sollen scharenweise nach Richmond gepilgert sein, um sich das Mordhaus anzusehen. Es erschien ein kleines Buch mit dem Titel: »Das Leben, der Prozess und die Exekution der Kate Webster«. Später stand sogar eine wächserne Nachbildung von ihr bei
Madame Tussaud’s
in London, betitelt als »Richmond-Mörderin«.
    Jedenfalls wurden im Laufe der Ermittlungen so ziemlich alle Körperteile der Getöteten gefunden, nur der Kopf blieb verschwunden. Dadurch konnte das Opfer nicht wirklich identifiziert werden, ohne Kopf war das damals nicht möglich. Es kam zwar auch kein anderes Opfer in Frage, und die Beweise gegen Kate Webster waren erdrückend, aber die letzte Bestätigung hatte immer gefehlt. Um die ging es jetzt.
    Die Geschlechtsbestimmung eines Skeletts lässt sich am besten am Becken oder am Schädel durchführen. Am Schädel gibt es eine Vielzahl von Unterscheidungskriterien, die in der Regel recht deutlich ausgeprägt sind – von der Gesamterscheinung (weibliche Schädel sind kleiner, runder und glatter, die Strukturen graziler), über das Hirnschädelvolumen (bei Männern größer), bis zur Ausprägung der Augenbrauenwülste (bei Männern stärker), der Stirn- und Scheitelhöcker (bei Frauen deutlich sichtbar, bei Männern kaum oder gar nicht), der Augenhöhlen (bei Frauen eher rund, bei Männern eher eckiger) und des Warzenfortsatzes (bei Frauen klein, bei Männern groß), um nur einige aufzuzählen. Es gibt noch eine ganze Reihe mehr. Die wenigsten Schädel weisen allerdings nur rein männliche oder nur rein weibliche Merkmale auf. Häufig lassen sich jedoch genügend Charakteristika finden, die eine eindeutige Zuordnung erlauben. Die Schwierigkeit bei dem ausgegrabenen Schädel bestand darin, dass er nur in Fragmenten erhalten geblieben war.
    Aber ich hatte Glück. Ich konnte sieben Einzelmerkmale überprüfen, und jedes deutete darauf hin, dass es sich um den Schädel einer Frau handelte.
    War noch die Frage, wie alt die Person gewesen sein mochte, als sie das Zeitliche segnete. Besonders genau lässt sich das leider nicht feststellen. Aber die Tatsache, dass die Schädelnähte untereinander verbunden und verknöchert waren, sprach dafür, dass sie eher älter gewesen sein musste. Bei Kindern sind die Schädelnähte noch offen und bei jungen Leuten in der Regel noch nicht vollständig verknöchert.
    Und ich fand noch einen Hinweis, der mich darin bestätigte, dass es eine Frau älteren Semesters gewesen sein musste. An der Innenfläche des Schädels, im Bereich des Stirnbeins, zeigte die Schädelkalotte eine deutliche Verdickung, symmetrisch auf beiden Seiten der Stirn. Das ist eine Erscheinung, die in der Fachsprache Hyperostosis frontalis interna genannt wird und hauptsächlich bei Frauen auftritt, die in den Wechseljahren sind oder diese bereits hinter sich haben.
    Was ich hingegen nicht beantworten konnte, war, wie lange der Schädel dort gelegen hatte. Da kein Weichgewebe an den Schädelknochen haftete und die Knochen selbst schon sehr porös waren, konnte man von einer längeren Liegezeit ausgehen. Aber ob nun fünfzig Jahre in Betracht zu ziehen waren oder hundert oder noch mehr, das war mit meinen Mitteln nicht zu eruieren. Deshalb regte ich eine anthropologische Untersuchung an, die dann auch durchgeführt wurde.
    Das Gutachten der Anthropologen bestätigte alles, was ich herausgefunden hatte. Sie gingen nur noch mehr ins Detail. Zum Beispiel glaubten sie, dass der Schädel in seinem »Grab« auf der linken Seite gelegen hatte, die
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