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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland
Autoren: Beate Sommer
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Gespenster, oder so was.«
    »Scheiße«, wiederholte Zinkel.
    »Und du? Warum? Hat Patrizia dir den Laufpass gegeben?«
    »Nee, das wäre zu viel gesagt. Ich bin das Auslaufmodell. Bei Schüttler blüht sie auf, das merkt doch ein Blinder. Sie hat meinen Antrag einfach ignoriert.«
    »Scheiße«, schloss nun Hartmann sich an.
    Sie schwiegen, ein einträchtiges Schweigen, wie sie es jahrelang gewohnt waren, wenn alles gesagt war und sie ohnehin wussten, was der andere dachte.
    »Was wirst du machen?«, fragte Zinkel.
    »Ich denke darüber nach, mich selbstständig zu machen. Mit einem Catering-Service. Mir fällt sogar jemand ein, der sich da einbringen könnte.«
    »Constanze Gentner etwa?«
    »Schon möglich«, entgegnete Hartmann, »mal schauen, ob sie den Mut aufbringt, sich durchzusetzen und zu tun, was schon lange ihr Traum war.«
    Das, dachte Zinkel, wäre vermutlich leichter, wenn Gentner der gewesen wäre, für den sie ihn die ganze Zeit gehalten hatten. Wenn Gentner umgekommen wäre, nicht Lindenau. Unfall? Selbstmord? Er würde es nie erfahren. Einen Meter weiter rechts, und der Wagen wäre im Graben gelandet und nicht an der Mauer. Ein Meter. Absicht? Zufall? Er vergaß ganz, dass er dieses Feld nicht hatte betreten wollen. Nicht schon wieder. Es nagte mehr an ihm, als er sich zugestehen wollte.
    »Weißt du was?«, wandte er sich an Hartmann. »All das schreit geradezu nach einem bahnbrechenden Besäufnis. Freunde?«
    »Auf immer und ewig«, stimmte Hartmann zu.
    ***
    Gott, dachte Marilene, während sie von Wiesmoor nach Leer fuhr, um die Verträge zu unterschreiben, hier oben war Frühling ausgebrochen. Der Himmel war knallblau und weit wie nie, Scharen schwarzer Vögel stoben von den Feldern, schossen durch die klare Luft, Schäfchenwolken zu jagen. Ihr Gefieder funkelte in der Sonne, die sich kraftvoll mühte, die Erinnerung an den langen Winter auszulöschen. Vor Hauseingängen standen erste Schalen mit bunten Primeln, und in den Beeten strahlten Teppiche von Krokussen, kräftiges Gelb und Lila kündeten von froher Botschaft, und sogar die Bäume zierte schon ein Hauch von Grün. Der perfekte Tag für einen Neuanfang, kein später Wankelmut,  non, je ne regrette rien.
    »Du, Marilene? Dürfen wir nicht doch mitkommen?«, fragte Arne, sich zwischen die Vordersitze reckend.
    »Nein«, sagte sie, »das hatten wir doch schon.« Ihr war es recht, dass ihr Vater, Anita und Arne auf den Wochenmarkt wollten, bevor sie sich nachher alle auf ein Eis treffen würden. Im Freien, kaum zu glauben.
    »Oder vielleicht nur ich?« Arne ließ nicht locker. »Dann ist das nicht soo peinlich für dich.«
    Sie schüttelte grinsend den Kopf. Sie würde sich vermutlich nie daran gewöhnen, dass er seine Mitmenschen so gründlich durchschaute. Fast wie Lothar. Diesmal blieb sie standhaft.
    Als sie, erst vorgestern, die versammelte Familie von ihren Plänen unterrichtet hatte, war Arne zunächst den Tränen nahe gewesen, doch nach reiflicher Überlegung war er zu dem Schluss gekommen, dass es gut für sie sei, näher bei ihrem Vater zu wohnen, vorausgesetzt, er dürfe sie in den Ferien besuchen. Dann hatte er ihren Vater und sein Haus, Wiesmoor und Leer mit wachsender Begeisterung angepriesen und schließlich eine Art Massenausflug vorgeschlagen, sogar eigens ihren Vater angerufen, ob das in Ordnung ginge. Marie und Niklas hatten dankend abgelehnt, doch Anita war tatsächlich mitgekommen, und nun verfolgte Arne seine eigenen Pläne, was ihren Vater und Anita anbelangte. So ließe sich das Entfernungsproblem natürlich auch lösen, und vielleicht war der Gedanke nicht so abwegig, wie sie erst angenommen hatte, denn die beiden verstanden sich ausgesprochen gut. Sein nächstes Projekt wäre dann vermutlich ihr eigenes Beziehungschaos.
    »Zieht dein Polizist auch um?«, fragte Arne wie aufs Stichwort.
    Ihr Vater warf ihr einen fragenden Blick zu, und sie konnte nicht verhindern, dass sie errötete. »Er ist nicht mein Polizist«, war es nie gewesen, dachte sie, nur diese eine Nacht, diese eine wundersame Nacht, und dann hatte sie ihn zutiefst verletzt, indem sie ihm mitteilte, dass sie fortziehen würde. Mit steinerner Miene war er aus ihrer Wohnung geflüchtet, und seither hatte sie nichts von ihm gehört, natürlich nicht. »Außerdem hat er seine Arbeit in Wiesbaden«, vervollständigte sie das Dementi.
    Dass Franziska aufgefunden worden war, lebendig, wusste sie von Katharina, und Dr. Lindenaus Verstrickung hatte Patrizia
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