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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
Autoren: Peter Temple
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eigentlich fragen wollen, Tony, ist das: Bin ich besser dran, wenn ich mich gegen die Armits und auf Brens Seite stelle, oder wenn ich hundertsechzig bei den Armits in der Kreide stehe und gegen Bren bin?«
    Er schaute mich an, in seinem Gesicht zuckte es, seine Finger zuckten. »Verdammt«, sagte er, »wenn man so drüber nachdenkt, bin ich ein Idiot. Sagen Sie Bren, ich weiß, dass ich ein Idiot bin. Kenn ihn schon, seit ich acht bin. Seine Mum hat uns Brote geschmiert. Er ist mein Kumpel. Ich bin ein Idiot. Okay. Was macht man, wenn man ein Idiot ist?«
    »Der Mann, der Brens Interessen vertritt, wartet draußen. Und wir brauchen die Nutten.«
    Tony stand auf, rollte die Schultern, rieb sich das Kinn. Wir gingen durchs Seitenschiff zur Tür.
    »Die sind nur für die Nacht runtergekommen«, sagte er. »Goldküsten-Nutten. Die eine war Balletttänzerin. Sylvia. War zu dick geworden. Haben Sie Erfahrung mit Tänzerinnen?«
    »Nicht, dass ich mich erinnern könnte.«
    »Sie könnten sich erinnern. Ihr ganzes Leben lang. Noch im Sarg könnten Sie sich erinnern.«
    Wootton stieg aus, als er uns sah.
    »Tony, das ist jemand, den Bren engagiert hat«, sagte ich, als Wootton auf uns zukam.
    Sie schüttelten sich die Hand.
    »Tony ist liebend gern bereit, Brendan für die fragliche Nacht woanders unterzubringen«, sagte ich. »Und ebenso, dir zu sagen, wo eine zu dick gewordene Balletttänzerin zu finden ist, die gezwungen war, eine andere Ausdrucksform zu finden.«
    »Zu dick?«, fragte Wootton. »Für mich können Tänzerinnen nie zu dick werden. Tony, Jack begleitet Sie, zeigt Ihnen, wo mein Büro ist. Wir kriegen das alles schon geregelt.«
    Tony sah mich an. »Die Armits«, sagte er. »Das muss als Erstes geregelt werden.«
    »Das muss im Voraus bezahlt werden«, erklärte ich Wootton.
    »Um wie viel geht's?«
    »Hundertsechzig«, sagte Tony.
    Wootton pfiff leise. »Angebotspreis. Also werden sie wie viel nehmen?«
    »Hundertsechzig«, sagte Tony, felsenfest überzeugt.
    »Knallhart?« Wootton runzelte die Stirn.
    »Knallhart.«
    Wootton unternahm einen kleinen Spaziergang um einen Baum herum, wackelte dabei besorgt mit dem Kopf und sah aus wie ein Mann, der im Geist Musik hört. Als er zurückkam, verzog er das Gesicht, hob seine pummelige rechte Hand: »Um es noch mal ganz klar zu sagen, Tony, Sie stehen bei den Armits mit dieser Summe in der Kreide. Wenn alles bezahlt ist, dann können die nichts mehr dagegen haben, dass Sie eine Aussage machen, die Brendan raushaut?«
    Tony nickte und leckte sich dabei die Lippen. »George hat zu mir gesagt, Klein-George war dabei, ›Tony‹, hat er gesagt, ›du kannst mir bezahlen, was du mir schuldest. Ich kann dich umbringen oder du kannst verdammt noch mal machen, was ich dir sage, bis ich der Meinung bin, dass du deine Schulden bezahlt hast.‹«
    Wootton zog immer noch die Augenbrauen hoch. »Und Sie können die Damen herbeischaffen?«
    »Ja. Na ja, nehm ich an.«
    »Heißt das ja?«
    »Ja.«
    Wootton sah mich an, legte den Kopf schräg, sein pomadisiertes Haar glänzte im verblassenden Licht. »Die Armits«, sagte er.
    »Nicht auf dem Friedhof«, sagte ich, »da ist bei mir Schluss.«
    »Nachdem sie George beerdigt haben«, sagte Wootton. »Ein ruhiges Gespräch mit Con. Ein Mann, der auf der Beerdigung seines Vaters seine Schwägerin in den Hintern kneift, wird verstehen, wenn etwas dringend ist. Wir gehen aufs Ganze, fangen aber erst mal mit achtzig Riesen an. Die Hälfte morgen, die andere Hälfte, wenn wir die Nutten auf Band gekriegt haben.«

r wartete vor meinem Büro, eine abgewetzte Lederaktentasche neben sich auf dem Bürgersteig, ein dünner Mann mit einem langen Gesicht, in dem alle Linien nach Süden zu verlaufen schienen, und mit vollem, silbrigem Haar, das zurückgekämmt war. Den größten Teil seines Gewichtes stützte er auf einen Gehstock aus Aluminium mit einem dicken Gummiknopf am unteren Ende. Der Herbst-wind, erfüllt von hässlichen Vorahnungen des Winters, ließ den grauen Regenmantel um seine Beine flattern.
    »Wollen Sie zu mir?«, fragte ich.
    Er musterte mich aus klaren blauen Augen. »Jack Irish.« Ich nickte.
    Er schniefte. »Halten Sie sich nicht an Ihre Sprechzeiten?«
    »Ein dringender Auswärtstermin«, sagte ich. »Ich hätte eine Nachricht an der Tür hinterlassen sollen.«
    Er beäugte mich noch immer, mit dem Blick eines Talentsuchers. Eines leicht enttäuschten Talentsuchers. »Ihrem alten Herrn wie aus dem Gesicht geschnitten«,
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