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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
Autoren: Peter Temple
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sollte man was Schriftliches aufsetzen. Da steht drin wie viel es ist, wann es zurückgezahlt werden soll und solche Sachen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Hab ihm 'nen Scheck gegeben.«
    »Des, wie kommt es, dass ein Mann, der nicht gerade eine hohe Meinung von seinem Sohn hat, ihm einfach so sechzig Riesen aushändigt?«
    Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, Haar wie das eines Jungen, Finger, die geschwollen waren wie Blätter einer Wüstenpflanze. »So, wie's mir an dem Tag ging, hätt ich dem alles gegeben, nur damit er wieder abhaut.«
    »Wann war das?«
    »Vor zwei Monaten. Der Mistkerl hat den Anrufbeantworter an.«
    »Vielleicht hat er's vergessen, ist in Urlaub gefahren.«
    Des schniefte. »Vergessen, dass er mir sechzig Riesen schuldet? Wer's glaubt. Der Mistkerl ist in Deckung gegangen.«
    »Hab ich das richtig verstanden. Gary gehört das Haus, in dem Sie wohnen?«
    »Die Frau hat es Gary vermacht, aber ich dachte, ich könnte darin leben, bis … Sie wissen schon. Neulich kommt dieser Typ von der Bank vorbei. Er sagt, Gary hätte noch 'ne Hypothek auf das Haus aufgenommen. Achtzigtausend Dollar. Und er hat seit sechs Monaten nichts mehr abbezahlt. Also wollen die das Haus verkaufen. Er sagt, Gary hätte ihnen gesagt, bitte sehr, nur zu.«
    Ich pfiff. »Des, wieso hat Ihre Frau das in ihr Testament geschrieben? Sie hätte Ihnen das Haus auf Lebenszeit überlassen und alles so arrangieren müssen, dass es erst nach Ihrem Tod auf Gary überging. Hat sie das nicht gemacht?«
    Er schüttelte den Kopf. »Hat's Gary vermacht.«
    »Wer hat das Testament Ihrer Frau aufgesetzt?«
    »Ein Kerl, den Gary geschickt hat. Ein Anwalt, den er kannte. Ist zu ihr ins Krankenhaus gekommen und hat ihr gesagt, wie sie's machen soll.«
    Ich schloss die Augen und sagte: »O Scheiße.« Als ich sie wieder öffnete, blickte Des mich besorgt an.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte er.
    »Was macht Gary?«
    »Fragen Sie mich nicht. Er war mal Bulle. Hat aber nicht lang gedauert. Behauptet, er hätte gekündigt. Schätze, die haben ihm 'nen Arschtritt verpasst. Dann hatte er 'nen Job bei irgend 'ner Transportfirma. Dann weiß ich nicht mehr. Hat eins von diesen deutschen Autos gekriegt, das mehr kostet als ein Haus. Wohnte in 'ner Wohnung im verdammten Toorak, das weiß ich, hab die Adresse. Hab sogar die verdammten Schlüssel dazu.«
    »Wie kommt das?«
    »Die hat er mir an dem Tag gegeben, an dem er zu mir gekommen ist und wegen dem Geld rumgeschleimt hat. Dad dies und Dad das. Dad, hast du was dagegen, wenn ich meinen Zweitschlüssel bei dir lasse, falls ich meinen mal verliere?«
    »Das war, bevor der Mann von der Bank gekommen ist?«
    »O ja. Sie glauben doch wohl nicht, ich hätte dem Mistkerl das Geld geliehen, wenn ich gewusst hätte, dass er schon eine Hypothek aufs Haus seiner Mum aufgenommen hat.«
    Ich sagte nichts. Des blickte wieder auf seine Hände. Er wollte etwas von mir. Ich wollte ihm etwas geben.
    »Ich könnte ihm einen Brief schreiben«, bot ich an. »Ein Anwaltsschreiben. Ihm sagen, dass wir das Geld wollen, sonst.«
    »Sonst was?«
    »Sonst leiten wir Maßnahmen ein, um die Schuld einzutreiben.«
    »Und wozu soll das gut sein?«
    Ich kratzte mich am Kopf. Er juckte nicht. Rudimentäre tierische Körpersprache, die Zweifel ausdrückt. »Kommt drauf an«, sagte ich, »bei manchen funktioniert's.«
    »Bei Gary wird's nicht funktionieren«, sagte Des aus tiefster Überzeugung. »Der hat ein dickes Fell.«
    »Na ja«, sagte ich, »sonst kann man nicht viel machen.«
    Schweigen. Auf Des' Gesicht lag wieder dieser enttäuschte Ausdruck. Schließlich sagte er: »Bei seiner Wohnung vorbeifahren und gucken, ob der Mistkerl da noch wohnt. Das würd ich machen, wenn ich's könnte.«
    »Wir könnten bei ihm vorbeifahren«, sagte ich.
    »Sie und ich?«
    »Ich könnte Sie dorthin fahren.«
    »Nein«, sagte Des. »Geht Sie ja nichts an. Bin ja nur hergekommen, um mein Testament zu machen.« Er wandte den Blick nicht von mir ab.
    »Gönnen Sie sich die Fahrt«, sagte ich. »Sie könnten mir ein bisschen mehr über meinen alten Herrn erzählen.«
    Seine Miene hellte sich auf. »Bill Irish«, sagte er, »da könnt ich Ihnen Geschichten erzählen.«
    »Dienstag, gegen zehn. Geben Sie mir Ihre Adresse. Ich hole Sie ab.«

ack«, sagte die Stimme auf dem Anrufbeantworter. »Ruf mich an. Nie rufst du mich an, du Mistkerl.«
    Ich rief sie nicht an. Kein Anruf bei meiner Schwester Rosa dauert weniger als eine halbe Stunde,
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