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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
Autoren: Peter Temple
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und aus den Schluchten Fitzroys rief bereits das Bier. Ich war immer noch müde, die zwei Wochen, in denen ich nach Zeugen gesucht hatte, die Cyril Woottons Klienten Brendan O'Grady retten konnten, hingen mir nach.
    Aber.
    Meine Tage, die ich damit verbracht hatte, die verseuchten Ödlande von Tony Ulasewiczs Leben zu durchwandern, würden Brendan davor bewahren, für ein Verbrechen ins Gefängnis zu gehen, an dem er mit Sicherheit keine Schuld hatte.
    Gerechtigkeit für Brendan.
    Aber.
    In einer Welt von perfekter Gerechtigkeit, würde Brendan da noch frei herumlaufen?
    Auf gar keinen Fall. In solch einer Welt würde der nackte Brendan von seinem runden Wasserbett geschleift, einem Ritual der Erniedrigung unterzogen und dann kopfüber in ein Loch mit ausgehungerten Hyänen geworfen. Zu extrem? Was ist mit dem Ideal der Rehabilitation? Sicher, Brendan könnte sich wandeln. Er könnte ein für alle Mal verwandelt werden, vielleicht in Rosendünger, ein Kilo Rosendünger mit ein bisschen Blut und Knochen.
    Mit mir und der Welt im Einklang ging ich die paar Schritte zu Taub's Kunsttischlerei, durch die schmale Straße, die auf die Smith Street in Collingwood führt.
    Ich öffnete die abgeschrammte Tür und blieb einen Moment stehen. Werkstattgeruch: Hobelspäne, Leinöl, Charlies Zigarrenstumpen, Kaffee. Charlie stand hinten in der großen Halle und öffnete und schloss die Kassettentüren eines schmalen, eleganten Rosenholzschränkchens. Verbindungen, Türen, Schubladen. Für Charlie passte es perfekt oder überhaupt nicht.
    Aus dem Augenwinkel sah er mich kommen. »So«, sagte er, ohne mich anzublicken. »Der Mann, der den Abschaum der Welt ausfindig macht. Der Mann, der seinen Eltern das Herz bricht. Pferde und Kriminelle. Das ist sein Leben.«
    »Es ist zu spät für ihn, um seinen Eltern noch das Herz zu brechen«, sagte ich. »Und manchmal sitzen die Kriminellen auch auf den Pferden. Diese Tür passt.«
    Charlie schloss die Schranktür, öffnete sie einen Spalt breit, schloss sie. »Ein alter Mann«, sagte er, »sollte im Ruhestand sein. Aber nein, er läuft herum und bringt dieser Person, die einfach nicht weggehen will, etwas bei, diesem Quälgeist. Und welchen Dank bekommt der alte Mann dafür?«
    Ich ging nach hinten, um die Rückseite des Schränkchens zu begutachten. Die Rückseite eines Werkstücks von Charlie Taub, nur für die Blicke der Möbelpacker bestimmt, wurde genauso behandelt wie der Boden einer Violine vom Geigenbauer. »Lass mich raten«, sagte ich. »Gar keinen?«
    »Jene, die die Stimme des Gewissens nicht hören«, sagte Charlie, »die sind wahrhaftig taub. Karl Bernsdorf. Der hat das gesagt. Ein großer Mann.«
    »Den zitiere ich jeden Tag«, gab ich zurück. »Vielleicht könnte man für behinderte Menschen wie mich einen Gewissens-Hund ausbilden. Wenn man nur darüber nachdenkt, sich schlecht zu benehmen, stupst der Hund einen ans Bein.«
    Charlie schnaubte. »Stupst? Pisst dagegen. Und wenn er dir das Bein bis hoch an die Hüfte abkauen würde, es würde ja doch nichts nützen.«
    Ich kam wieder nach vorn, um das schlichte Giebeldreieck anzuschauen. »Ich nehme an, du hast mich ziemlich vermisst?«
    Noch ein Schnauben. »Vermisst! Was ich vermisse, ist jemand, der kleine Jobs, die ich ihm gebe, auch zu Ende bringt. Wie kleine Tische zum Beispiel. Einen Tag Arbeit für einen Mann, der tatsächlich arbeitet.«
    »Wird morgen fertig«, sagte ich. »So gut wie erledigt. Jetzt ist es Zeit für ein Bier.«
    Charlie zur Tür hinaus zu bugsieren, kostete mich weitere zehn Minuten. Er war unfähig, einen Arbeitstag zu beenden, ohne noch einmal herumzugehen, alles zu berühren, daran herumzufingern und die laufende Arbeit zu überprüfen. Sich selbst überlassen konnte dieser Prozess bis zu einer halben Stunde dauern, Herumschlurfen, Vorsichhin-murmeln und Pfeifen.
    Draußen lag schon der nahende Winter in der verschmutzten Luft, die Kälte verschärfte den Geruch der Abgase. Während wir zu Fuß zum Prince of Prussia gingen , erzählte mir Charlie von seinen jüngsten Triumphen beim Bowling.
    »Youngsters«, sagte er. »Wir haben diese Jüngelchen per Los zugewiesen bekommen. Die dachten, alte Säcke, auf Wiedersehen. Ich sag zu Freddie Chan, der dachte, wir hätten keine Chance: ›Freddie‹, sag ich, ›was wissen diese arroganten Hosenscheißer schon über Geschicklichkeit? Nichts, gar nichts.‹ Er glaubt's mir nicht. Nun ja. Im nächsten Moment sind dieser kleine Fette und der andere, der
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