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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
Autoren: Peter Temple
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Rails durchgebrochen, was für ein unglaubliches Finish, Wicks hat sich durchgeboxt, zieht gleich mit The Gallery, der Veteran bewegt sich wie ein Dreijähriger, sie haben sich deutlich vom Rest des Feldes abgesetzt, Galoppsprung für Galoppsprung, noch fünfzig Meter, The Gallery hält mit …«
    Ich konnte Lyalls Fingerspitzen spüren, die sich in meinen Oberschenkel bohrten und sich allmählich meinem Oberschenkelknochen näherten.
    Die Pferde galoppierten jetzt beide gestreckt dahin, flach, die Ohren angelegt, die Hälse lang ausgestreckt, die Jockeys setzten Hände und Fersen ein, um die Tiere zu einer letzten, verzweifelten Anstrengung aufzufordern.
    »Sie gehen zusammen über die Linie, mit bloßem Auge nicht voneinander zu trennen«, rief der Kommentator. »The Gallery mag vielleicht ein Nasenhaar vorn gehabt haben. Was für ein Rennen. Das Zielfoto wird entscheiden müssen. Meinem Gefühl nach ist The Gallery …«
    Ich setzte das Fernglas ab, fühlte, wie meine Schultern absackten und Lyalls Griff an meinem Oberschenkel sich löste. Unten standen die McCurdies wie im Schock und blickten sich benommen um, wie Menschen, die überrascht sind, dass sie einen Unfall überlebt haben.
    Wir warteten.
    »Ist das digital?«, fragte Lyall.
    Ich sah sie an. »Was?«
    »Die Kamera. Ist die digital?«
    Ich sagte nichts.
    Wartete.
    »Nummer sechs«, sagte der Sprecher. »Vision Splendid siegt mit dem kleinstmöglichen Vorsprung vor The Gal lery, Dritter ist Shebeen.«
    Jock McCurdie, seine Frau, seine Tochter und die beiden Neffen bildeten einen lachenden, sich umarmenden, weinenden Kreis wie ein ausgelaugtes, in Alter und Geschlecht gemischtes Footballteam, das seinen ersten Grand Final seit vierzig Jahren gewonnen hat.
    »Nun, die Bookies sind hier böse geschlagen worden, meine Damen und Herren«, sagte der Sprecher. »Hier und anderswo. Es stellt sich heraus, dass die Visionäre recht gehabt haben. Jetzt, in diesem Augenblick, werden wahrscheinlich schon überall im Land die Pensionäre von ihren Paddocks gezerrt. K. Devine, die Trainerin, trainiert in Lancefield, da muss irgendwas Besonderes in der Luft liegen … Oh, oh, es hat einen Einspruch gegeben. Zweiter gegen Ersten. Ich denke, das hat etwas damit zu tun, wie Tommy Wicks sich an den Rails durchgedrängt hat. So. Die Spannung ist noch nicht zu Ende.«
    »Was bedeutet das?«, fragte Lyall.
    Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar. »Der Jockey des zweitplatzierten Pferdes sagt, er hätte gewonnen, wenn unser Kerl ihn nicht gerempelt hätte, als sie auf die Gerade kamen. Wenn die Stewards dem stattgeben, sind wir Zweiter.«
    »Wie wollen die das entscheiden?«
    »Sich das Video ansehen, die Jockeys befragen, die Tarot-Karten legen, Hühnern die Gedärme herausnehmen.«
    Wir warteten.
    Die McCurdies waren erneut in Schockstarre gefallen. Jock hatte seinen Arm um Mrs. McCurdies füllige Schultern gelegt und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Ich wusste, was er sagte: Es wird ein anderes Mal geben, Liebling.
    Wir warteten.
    Unter uns sah ich Cam am Zaun lehnen, ein Muster an Gleichgültigkeit, rauchte eine Zigarette, las in der Rennzeitung.
    Es wird ein anderes Mal geben, Liebling. Wahrscheinlich nicht.
    Die Lautsprecher knackten. Der Sprecher war für einen Augenblick still gewesen, jetzt sagte er: »Einspruch abgelehnt. Das Ergebnis steht. Vision Splendid ist Sieger im Vierten.«
    Die McCurdies drehten wieder auf. Es würde kein anderes Mal geben müssen, Liebling.
    »Mein Gott«, sagte Lyall. »Ich weiß nicht, ob ich diese Spannung regelmäßig aushalten könnte. Wie viel hab ich gewonnen?«
    Ich sagte: »Vier Riesen und dein Geld zurück.«
    »Wow, ich geb dir die Hälfte davon ab.«
    »Nein«, sagte ich. »Ich hatte selbst ein bisschen was da drin.«
    Auf unserem Weg nach draußen kam Cam hinter mich. »Hab noch ein paar Bilder, die ich dir zeigen will«, sagte er. »Am üblichen Ort.«
    Ich ließ Lyall am Stud zurück, fand Harrys BMW , stieg hinten ein. Cam reichte mir drei große Farbabzüge über die Schulter.
    Auf dem ersten war ein Haus zu sehen, ein riesiges, neues Holzhaus. Es lag in einem See. Man konnte die Rillen sehen, die das Haus in den Erdboden gegraben hatte, als es den Berg heruntergeschliddert war. Erst im See, halb unter Wasser, war es auf der Seite liegend zum Halten gekommen.
    Das zweite Bild zeigte einen zusammengebrochenen Anlegesteg und im Wasser davor den Bug einer gesunkenen Motoryacht. Neben der Yacht waren die Dächer von drei Autos zu
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