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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
Autoren: Peter Temple
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einer wackeligen Aufnahme von Steven Levesque, die aus einem fahrenden Auto gemacht worden war. Er saß zwischen zwei großen Männern und wandte den Kopf ab.
    Sie kam zu mir und blieb hinter mir stehen, legte ihre Hände auf meine Schultern. »Wie viel Uhr ist es?«, fragte sie.
    »Zeit für Champagner, Zeit für Bollinger«, antwortete ich.

n einem kalten klaren Mittwoch, ein hoher und bleicher Winterhimmel, peitschender Wind, fuhren wir zur Moonee Valley Rennbahn.
    Wootton lehnte am Zaun des Führrings und sah aus wie eine Werbung für Kleidung, die Männer der oberen Mittelklasse zu einem Mittwochs-Rennen tragen sollten. Nicht weit weg von ihm erkannte ich Cynthia, seine Chef-Kommissionärin. Sie hatte sich die Haare kurz schneiden lassen, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte und sah in ihrem gedeckt weißen Trenchcoat und einem langweiligen Schal absolut unauffällig aus.
    Lyall und ich sahen zu, wie die Pferde herumgeführt wurden. Vision Splendid kam vorbei, begleitet von Karen Devines Stallmeister mit der fransigen Frisur. Der große Schimmel sah gut aus, unerschütterlich angesichts der Zuschauer, stramm wie eine Bull-Boar-Wurst, aber mit Bandagen an allen vier Beinen.
    »Der Schimmel«, sagte ich. »Vision Splendid. Wegen dem sind wir hier.«
    »Was ist mit seinen Beinen?«
    »Nichts. Deswegen sind sie ja bandagiert.«
    Sie warf mir einen Blick zu. »Darf ich dich noch mal fragen? Womit genau verdienst du dir eigentlich deinen Lebensunterhalt?«
    Ich erwiderte den Blick, betrachtete sie in aller Ruhe. Sie war es wert, genauer betrachtet zu werden: etwas Farbe im Gesicht von der Kälte, das Haar lose im Nacken zusammengenommen, eine dicke Tweedjacke, ein weißes Männerhemd aus Baumwolle, Kordhosen. »Vorstadtanwalt mit der ganzen Bandbreite an kulturellen und anderen Interessen, die der Begriff beinhaltet«, sagte ich.
    »Und wir reden hier ganz allgemein.« Sie nahm mir die Age aus der Hand. Sie war bei den Formtabellen aufgeschlagen.
    Cam kam den Zaun entlanggeschlendert, dunkelgrauer Anzug und schwarzer Rollkragenpullover, elegant und so unverschämt blickend wie eh und je. Er gesellte sich gerade lange genug zu Wootton, um ein paar Worte zu wechseln, sich eine Zigarette mit einem Streichholz aus einem Streichholzheftchen anzuzünden, den Rauch über den Kopf des Mannes hinwegzublasen und das Streichholzheftchen hinter das dreieckig gefaltete rote Einstecktuch in seiner Brusttasche zu stecken. Marschbefehl ausgegeben. Harry tat das nie vor dem allerletzten Moment.
    Wootton schlug seine Rennzeitschrift zu und blickte sich um, einen besorgten Ausdruck im Gesicht, den Ausdruck von jemandem, der versucht zu entscheiden, ob er lieber gleich auf die Toilette geht oder es darauf ankommen lässt. Er fischte das Streichholzheftchen aus seiner Tasche und starrte darauf. Cynthia erschien an seiner Seite. Ich konnte nicht sehen, wie er es ihr gab, aber sie blieb kaum länger bei ihm stehen, als Cam es getan hatte.
    »Hier steht«, sagte Lyall, »dass Vision Splendid ein nicht weiter bemerkenswerter Veteran ist, der bei einem Comeback-Versuch in Ballarat kläglich gescheitert ist.«
    »Wer schreibt das?« Ich nahm die Zeitung und sah nach.
    »Bart Grantley. Hat ein gutes Auge für die Leistungsanalyse von Pferden. Hast du Geld dabei?«
    »Ich hab ein bisschen was mit, ja.«
    Ich sagte ihr, was sie tun sollte.
    Ausdruckslos antwortete sie: »Verstehe ich das richtig, dass du gerade Mr. Grantleys Expertenmeinung anzweifelst?«
    »Nein. Er hat recht. Spring rein und mach's.«
    Als wir draußen auf der Tribüne waren, sagte der Sprecher gerade:
    »… eine Menge Geld für den Uralt-Veteranen Vision Splendid, die Nummer sechs mit Tommy Wicks im Sattel, trainiert von K. Devine. Nicht gerade eine unbekannte Größe, dieses Pferd, seine Form reicht in Zeiten zurück, in denen einige der Jockeys, die heute in diesem Rennen reiten, gerade mal ihre Milchzähne verloren haben.«
    »Er spottet über meine fünfzig Dollar«, sagte Lyall.
    »Das machen die gern. Gibt eine Menge grausamer Menschen im Rennsport.«
    Wir fanden einen guten Platz. Als ich nach unten blickte, konnte ich die Familie McCurdie sehen. Sie hatten sich zu einem abwehrbereiten Kreis aufgestellt und beäugten misstrauisch die Stadtmenschen um sie her, vorbereitet auf Taschendiebe, Handtaschenräuber und Perverse.
    Der Sprecher fuhr fort: »Eine beachtliche Lawine, die Buchmacher haben ihn ziemlich klug von 40 : 1 in den Zehnerbereich laviert. Jetzt geht es
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