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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
Autoren: Peter Temple
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auf acht runter, da ist landesweit Geld im Spiel, ordentlich Geld, ein hübsches Sümmchen für diese Jahreszeit. Die Welt ist voller Optimisten. Entweder das, oder diese Leute sind schlau, Visionäre. Nun, meine Damen und Herren, auf Tommy Wicks ruhen hier heute die Hoffnungen der Viagra-Generation. Heute sollen sie wieder auferstehen. Die Starter machen sich bereit für das Vierte, sechzehnhundert Meter, ein Feld von elf Pferden, ein gut erzogenes Lot, ich denke, sie werden dem älteren Pferd den Vortritt lassen. Ganz im Ernst, sie gehen gut in die Boxen, fünf oder sechs kommen noch …«
    Ich konnte spüren, wie Lyall mich ansah. Ich nahm die bedrohliche Post-Golfkriegs-Kamera aus ihrem Koffer.
    »Vorstadt-Anwalt«, sagte sie nachdenklich und in leicht kritischem Ton. »Ich frag mich nur, wie dann erst Großstadtanwälte sind. Ich würde gern mal einen kennen lernen. Die haben mit ernsthaften Sachen zu tun, oder? Kriege und Hungersnöte, Präsidenten und Könige bestechen, ganze Kontinente verheeren, solche Sachen, oder?«
    Ich hielt das Wunderwerk der Technik an meine Augen, ließ es herumwandern, fand die Startboxen, befolgte die digitalen Anweisungen. Dann konnte ich auf Tommy Wicks Nase verweilen und in eines von Vision Splendids feuchten und unerschütterlichen Augen blicken. »Nein«, sagte ich. »Die machen nur die langweiligen Sachen.«
    An meinem Oberschenkel spürte ich lange Finger, beiläufig wie ein herunterfallendes Blatt, ohne Absicht, ohne Ziel, einfach eine offenen Hand, die zur Ruhe kam.
    »Sauber vom Start weggekommen«, sagte der Sprecher. »Melanies Child am besten, führt vor The Gallery, January One an der Innenseite, Vision Splendid geschickt an der Außenseite, fällt jedoch schnell zurück, abgelöst von Honey Dew, dann kommt Fatbat, Kilberry Lad, Shebeen, weit außen holt Drumlanrig schnell auf und macht Count Waldersee und Pericard zu den Schlusslichtern.«
    Als noch zwölfhundert Meter vor ihnen lagen, hatte sich das Feld zweigeteilt. Vision Splendid war der Letzte in der dicht gedrängten Fünfergruppe an der Spitze, eine Länge vor dem sechsten Pferd.
    »Das Tempo in diesem Rennen ist noch nicht besonders hoch«, sagte der Kommentator. »Vielleicht aus Respekt vor dem älteren Mitbürger, jetzt als Fünfter hinter Drumlanrig, Shebeen und January One und an erster Stelle The Gallery, der gut aussieht. An der Tausendmetermarke fällt Drumlanrig leicht zurück. Shebeen hat zu January One aufgeschlossen, und Vision Splendid hält sich beinahe auf gleicher Höhe mit Drumlanrig. In der hinteren Gruppe …«
    »Was passiert?«, fragte Lyall.
    »Sieht gut aus«, antwortete ich. Ich hatte klare Sicht auf Tommy Wicks, als sie die Gerade Richtung North Hill herunterkamen. Er ritt ein ruhiges Rennen, versteckt hinter den drei Führenden, wartete auf seine Chance, eine Lücke zwischen Drumlanrig und Shebeen zu nutzen.
    Bei fünfhundert Metern, am Beginn der Kurve zur Zielgeraden, konnte ich sehen, wie Tommy Vision leicht aufforderte. »Jetzt«, sagte ich. »Nichts wie ran, Thomas.«
    Der Sprecher sagte: »Bei Fünfhundert wird die Pace jetzt etwas angezogen, der Veteran Vision Splendid bleibt dran, er zieht nach vorn, o nein, January One rutscht nach außen, rempelt Shebeen, ein hässlicher Zusammenstoß, Drumlanrig ist ebenfalls getroffen, kommt aus dem Tritt, taumelt zur Seite, was Vision beinah gegen die Rails schleudert, das wird den Stewards ganz und gar nicht gefallen …«
    In dem ganzen Durcheinander verlor ich Tommy für eine Sekunde aus den Augen, fand ihn wieder, sah das Knurren auf seinem Gesicht, konnte beinahe die üblen Schimpfwörter hören, die er Drumlanrigs minderjährigem Jockey zubrüllte.
    Fluchen half jetzt auch nichts.
    Ich sah nach unten. McCurdie zog seinen Hut nach unten, versuchte, ihn über die Augen zu ziehen, den grauenvollen Tag auszublenden.
    »Dreihundertfünfzig noch«, sagte der Sprecher. »The Gallery jetzt alleine, das Durcheinander hinten hat sich gelöst, aber zu spät für das Lawinen-Pferd und den Rest …«
    Ich fand Tommy Wicks wieder.
    Tommy glaubte nicht, dass es zu spät war.
    Er führte Vision Splendid in eine Lücke zwischen January One und den Rails, die nicht breiter war als sein Kopf, schien Körperkontakt zu dem Jockey aufzunehmen. January zog wieder nach außen, schubste diesmal The Gallery.
    Auf der Geraden, noch zweihundert Meter, Vision und The Gallery.
    »Das Rennen nimmt eine Wende«, brüllte der Kommentator. »Der Veteran ist an den
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