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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter
Autoren: R Ford
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Herzlosigkeit, die aus seinem Blick sprach, nur größte Verwunderung und Resignation.
    Als mein Vater starb, war ich vierzehn, und danach schickte mich meine Mutter auf »die Marineakademie«, wie sie sagte, in Wirklichkeit eine kleine Militärschule bei Gulfport, die sich Gulf Pines nannte (wir Kadetten nannten sie, der Abgeschiedenheit wegen, Lonesome Pines) und an der ich mich zu keiner Zeit fehl am Platz fühlte. Ja, die militärische Haltung, die dort verlangt wurde, gefiel mir, und ich glaube, daß ich einen aufrechten Zug in meinem Wesen habe, der zumindest den Anschein von Rechtschaffenheit, wenn nicht die Sache selbst, achtet und für den die Schule verantwortlich war. Meine Ausgangslage in Lonesome Pines war etwas besser als die des Durchschnitts, denn die meisten der Kadetten waren aus den zerrütteten Ehen reicher Leute dorthin gekommen, oder weil ihre Eltern sie regelrecht abgeschoben hatten, oder weil sie etwas gestohlen oder niedergebrannt hatten und ihre Familien erreichen konnten, daß sie hierher statt in die Besserungsanstalt kamen. Ich hatte allerdings nie das Gefühl, daß sich die anderen Schüler von mir unterschieden, es waren einfach Jungen voller Geheimnisse und Unwissenheit und hoffnungsloser Sehnsüchte, und diese Zeit war für sie nur etwas, das durchgestanden werden mußte, so daß niemand irgendwelche Bindungen einging. Es war, als ahnten wir alle, daß wir eines Tages ganz plötzlich weg sein würden – oft geschah es mitten in der Nacht – und deshalb nicht zu tief in etwas hineingezogen werden wollten. Oder wir legten vielleicht einfach keinen Wert darauf, später jemanden zu kennen, der so war, wie wir jetzt waren.
    Was ich von den Örtlichkeiten noch im Gedächtnis habe, ist ein heißer Exerzierplatz, umgeben von spärlichen Kiefern, eine Fahnenstange mit einem Anker am Sockel, ein abgestandener seichter See, auf dem ich segeln lernte, ein stinkender Strand mit einem Bootshaus, braun verputzte Gebäude mit heißen Klassenzimmern und weiße Kasernengebäude, die stark nach Scheuerlappen rochen. Es gab einige ehemalige Stabsbootsleute der Navy, die dort unterrichteten – Männer, die sich für eine reguläre Lehrtätigkeit nicht eigneten. Sogar ein Neger war dabei, ein Mann namens Bud Simmons, der als Baseballtrainer tätig war. Der Kommandant, Admiral Legler, war ein alter Kapitän zur See aus dem Ersten Weltkrieg. Urlaub machten wir immer in Gruppen, draußen in den kleinen Orten an der Golfküste, die wir mit dem öffentlichen Bus erreichen konnten, in den klimatisierten Kinos und billigen mexikanischen Lokalen, oder wir trieben uns in der Nähe der Keesler Air Force Base herum, auf den heißen sandigen Parkplätzen vor Striplokalen, und versuchten in unseren braunen Uniformen, die richtigen Militärangehörigen zu überreden, Bier und Schnaps für uns einzukaufen, und fühlten uns erbärmlich, weil wir zu jung waren, selber reinzugehen, und weil wir zuwenig Geld hatten, um irgend etwas anderes damit zu tun, als es zu vergeuden.
    Die Feiertage verbrachte ich zu Hause im Bungalow meiner Mutter in Biloxi, und gelegentlich traf ich ihren Bruder Ted, der ganz in der Nähe wohnte und vorbeikam, um mich zu sehen, und mich zu Ausflügen nach Mobile und Pensacola mitnahm, wo wir nicht viel miteinander redeten. Vielleicht ist es einfach das Los von Söhnen, deren Väter jung sterben, selber – nach außen hin – nie jung zu sein; die Jugend ist für uns nur ein kurzer Traum, ein Vorspiel ohne irgendeinen anhaltenden Augenblick, bevor das eigentliche Leben anfängt.
    Meine einzige Erfahrung als aktiver Sportler machte ich dort in Lonesome Pines. Ich versuchte, in der Schulmannschaft unter dem schwarzen Trainer Bud Simmons Baseball zu spielen. Ich war für mein Alter relativ groß – heute bin ich näher am Durchschnitt –, und mit meinen langen Armen besaß ich die locker-schlaksige Geschmeidigkeit des geborenen Werfers. Aber ich brachte nie viel zustande. Ich konnte mich immer, wie von außen, die Dinge tun sehen, zu denen ich aufgefordert wurde. Und das reichte schon aus, sie mich nie gut oder vollständig tun zu lassen. Offenbar verfolgte mich eine angeborene Ironie, die keinem nützlichen Zweck diente und nun bewirkte, daß ich zu einem versonnenen, neunmalklugen Jungen wurde, gerissen und heimlichtuerisch – genau der Typ, der nach Lonesome Pines gehörte. Bud Simmons tat alles, was er konnte, und dazu gehörte auch, daß er mich mit dem anderen Arm werfen ließ, was ich
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