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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter
Autoren: R Ford
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überspringe ich diese Abschnitte ganz; manchmal mache ich das Buch zu und nehme es nie wieder in die Hand), wenn der Autor seine geschwätzige, obligatorische Reise an den Meeresgrund der Vergangenheit antritt. Bei den meisten von uns, seien wir ehrlich, ist die Vergangenheit kein sehr dramatisches Thema, und sie sollte gerade uninteressant genug sein, um uns augenblicklich freizugeben, wenn wir bereit sind (obschon es stimmt, daß wir, wenn wir diesen Moment erreichen, oft entsetzliche Angst haben, uns nackt fühlen, wie frisch gehäutet und nichts zu sagen haben).
    Meine eigene Lebensgeschichte sehe ich wie eine Postkarte: mit wechselnden Szenen auf der einen, aber ohne besondere oder denkwürdige Botschaften auf der anderen Seite. Man kann von seinen eigenen Anfängen getrennt werden, wie wir alle wissen, und nicht durch irgendwelche bösen Absichten, sondern einfach durch das Leben selbst, das Schicksal, den Kampf mit dem Allgegenwärtigen. Der Stempel, den unsere Eltern und die Vergangenheit im allgemeinen uns aufdrücken, wird meiner Meinung nach überinterpretiert, denn von irgendeinem Zeitpunkt an sind wir als ganze, selbständige Menschen auf der Erde, und es gibt nichts, was uns – zum Guten oder Schlechten hin – verändern kann, und deshalb können wir uns ebensogut über verheißungsvollere Dinge Gedanken machen.
    Ich wurde 1945 in ein gewöhnliches, modernes Dasein hineingeboren, als einziges Kind anständiger Eltern ohne ungebührliche Absichten und ohne ein bestimmtes Gefühl für ihren Platz im Kontinuum der Geschichte, zwei Menschen also, die sich in der Welt einfach über Wasser hielten und wie die meisten anderen ihre Zeit abwarteten, frei von jeder einschüchternden Überzeugung eigener Wichtigkeit. Ich finde das auch heute noch eine erstklassige Herkunft.
    Meine Eltern stammten aus dem ländlichen Iowa, wo sie Farmen in der Gegend von Keota verließen und als Jungverheiratete viel herumzogen, ehe sie sich schließlich in Biloxi in Mississippi niederließen. Mein Vater arbeitete dort bei der Ingalls-Werft und panzerte Schiffe mit Stahlplatten, ehe sie an die Navy gingen, in der er im Krieg gedient hatte. Das Jahr davor waren sie in Cicero gewesen; ich weiß allerdings nicht genau, was sie dort machten. Das Jahr davor in El Reno in Oklahoma und davor in der Nähe von Davenport, wo mein Vater irgend etwas mit der Eisenbahn zu tun hatte. Ich habe, ehrlich gesagt, nur eine verschwommene Vorstellung von seiner Arbeit, obwohl ich mich ganz gut an ihn erinnern kann: ein großer schlaksiger Mann mit kantigem Gesicht und hellen Augen – wie ich sie habe –, aber mit romantisch gelockten Haaren. Ich habe versucht, ihn mir in Davenport oder Cicero vorzustellen, wo ich selbst hinkam, um über Sportveranstaltungen zu berichten. Doch die Wirkung ist seltsam. Er war – jedenfalls in meiner Erinnerung – kein Mann für diese Orte.
    Ich erinnere mich, daß mein Vater Golf spielte, und manchmal ging ich an heißen Tagen im Biloxi-Sommer mit ihm über den flachen Platz. Er spielte auf der Anlage, die zum Stützpunkt der Air Force gehörte, gelbbraun und ausgebleicht war und von rangniederen Soldaten viel bespielt wurde. Er tat das, damit meine Mutter einen Tag für sich allein haben, ins Kino gehen, sich die Haare richten lassen oder zu Hause bleiben und Filmmagazine und billige Romane lesen konnte. Golf kam mir damals wie eine Folter der traurigsten Sorte vor, und selbst mein armer Vater schien nicht viel Spaß daran zu haben. Er war eigentlich nicht der Golftyp, sondern eher der Typ eines Rennfahrers, und er verlegte sich, glaube ich, ganz bewußt auf Golf, weil es ihm etwas bedeutete, ein gewisses Maß an Erfolg in der Welt zu haben. Ich weiß noch gut, wie wir zusammen beim Abschlag standen, beide in kurzen Hosen, und unseren Blick über die lange, von Palmen gesäumte Spielbahn schweifen ließen, hinter der ein Deich und dann der Golf von Mexiko zu sehen waren, und wie er grimmig den weit entfernten Flaggenstock fixierte, als stehe er für eine Festung, die er nun, wenn auch ungern, bestürmen werde, und wie er zu mir sagte: »Na, Franky, was meinst du, ob ich den Ball wohl so weit schlagen kann?« Und wie ich sagte: »Das glaub ich kaum.« Er schnitzte und rauchte trotz der Hitze eine Zigarette, und ich sehe noch ganz deutlich vor mir, wie er mich in diesem Moment erstaunt anblickte. Wer war ich doch gleich? Was für Pläne hatte ich? Solche Fragen schienen ihn irgendwie zu treffen. Es war nicht gerade
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