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0793 - Die Bruderschaft des Teufels

0793 - Die Bruderschaft des Teufels

Titel: 0793 - Die Bruderschaft des Teufels
Autoren: Dario Vandis
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Emst Freismer fühlte, wie der Boden unter seinen Füßen zu schwanken begann. Das Blut wich ihm aus Gesicht und Händen und ließ eisige Finger zurück, mit denen er sich an die Fensterbank klammerte wie ein Schiffbrüchiger an die dahin treibende Schiffsplanke.
    Eine Nebelbank verdeckte die Nummer 59, als könne sie die ungeheuerliche Tatsache ungeschehen machen.
    Ernst Freismer schlüpfte in Stiefel und Mantel und öffnete den selbst gezimmerten Schlüsselkasten an der Tür, in dem er eine kleine, zwölfschüssige Pistole aufbewahrte. Das Magazin war geladen. Es gab zu viele Verrückte auf dieser Welt.
    Der Schlüssel knirschte im Schloss, das Freismer seit langem nicht mehr geölt hatte. Er liebte das Geräusch. Es war wie mit der Fassade des Friedhofhäuschens, von der die Farbe blätterte, wie mit dem alten Wellblechschuppen, an dem der Rost nagte. Er brauchte diese Umgebung, und sie brauchte ihn. Er war immer hier gewesen, und er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendwann ein jüngerer Kollege kommen und ihn ersetzen würde.
    Doch genau das würde bald geschehen. Vor ein paar Tagen war ein Mann von der Zentralverwaltung aufgetaucht. Er trug einen Kamelhaarmantel, einen gelegten Scheitel, und in der Hand hielt er ein Notizbuch, in dem stand, dass Ernst Freismer zu alt für seinen Beruf war. Er sprach von Teilzeit und Übergangsregelung, und Freismer verstand nur, dass man sich seiner entledigen wollte. Ein neuer Mann sollte her, der die Schaufel rostfrei und die Schlösser geölt hielt. Ein Mann, der Grabschänder bemerkte, bevor sie ihr Werk begannen.
    Freismer stapfte über den geharkten Boden des Hauptpfades. Die Wut brachte einen Teil der Sicherheit zurück. Es gab nur wenige Tote auf diesem Friedhof, die vor seiner Zeit beerdigt worden waren. Dies war sein Revier.
    Als er die Nummer 59 erreichte, war der Nebel dichter geworden. Er las die Inschrift auf dem Grabstein, die ihm pietätlos erschien. Jeder hat es in der Hand, den Zeitpunkt selbst zu bestimmen. Darunter war der Name eingemeißelt. Eva Wilke, 1967-2004. Freismer schauderte. Friedrich Boog hatte Selbstmord begangen, das wusste er. Er war in einem Doppelgrab beigesetzt worden, dessen andere Hälfte noch nicht belegt war. Die Witwe war auf der Trauerfeier zusammengebrochen.
    Der Griff der Pistole lag auf einmal schwer in Freismers Hand. Im Nebel erkannte er die Silhouetten der Grabsteine, die Sträucher, Zierpflanzen und den alten Steinbrunnen in der Mitte des Friedhofs. Alles war wie immer.
    Bis auf das Grab Nummer 59.
    Der Sarg war aufgebrochen und Friedrich Boogs Leiche verschwunden. Holzsplitter lagen verstreut zwischen Erdklumpen, als hätte eine unheimliche Macht den Sargdeckel aufgesprengt.
    Freismers Angst verwandelte sich in Empörung. Er stapfte zurück ins Haus und rief die Polizei.
    So sah er nicht mehr, wie sich unweit vom Grab Nummer 59 ein Schatten aus dem Buschwerk löste. Blasse Hände verstauten eine Kamera mit Nachtsichtobjektiv in einer Ledertasche, und eine hagere Gestalt machte sich zwischen den Grabsteinen hindurch in Richtung Friedhofsmauer davon… um die Bilder, die sie auf Zelluloid gebannt hatte, so schnell wie möglich auszuwerten…
    ***
    Über die Lippen des Meisters huschte ein Lächeln. Flüchtig nur, versteckt von der Kapuze der bodenlangen Kutte. Er genoss die Stille, das vereinzelte Rascheln von Stoff, die ergebenen Blicke der Adepten, die sich unter dem brüchigen Holzdach der Fabrikhalle versammelt hatten.
    Sie lauschten ihm. Sie lasen ihm jedes seiner Worte von den Lippen ab, und das Wissen darum versetzte ihn in Hochstimmung.
    »Ich werde euch führen - zu Glück, Erfolg und Gesundheit«, rief er mit donnernder Stimme. »Jeder von euch wird bekommen, was immer er sich erträumt. Aber ihr müsst die Regeln der Gemeinschaft befolgen. Verschwiegen sein und loyal. Bis in den Tod.«
    »Wir sind verschwiegen und loyal, bis in den Tod«, drangen die Stimmen dumpf unter den Masken hervor.
    Maske und Kutte, das war die erste Regel, der sich jeder zu unterwerfen hatte. Niemandem war die Identität der anderen Mitglieder bekannt, außer dem Meister. Er wusste alles. Er war alles. Seinem Wort hatten die Adepten zu folgen, bedingungslos.
    Stille trat ein, und der zweite Teil des Rituals begann. Es war nicht das erste Mal, dass er es ausführte, aber heute war ein besonderer Tag. Heute würde sich erweisen, ob die Adepten ihrem Wort folgten. Die Abweichler würden bestraft werden.
    Bis in den Tod…
    Der Meister trat
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