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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern
Autoren: Rawi Hage
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sprach seine Gebete und zog uns groß.
    Und deine Mutter, fragte ich.
    Über meine Mutter, über dieses ganz normale Leben, möchte ich nicht sprechen, aber du kannst mir ja von deiner erzählen, wenn wir uns das nächste Mal sehen. Und schon war Zainab verschwunden.
    Mein Boot
    Ich halte meinen Wagen – manchmal sage ich Boot oder Flugzeug, Haus oder Bibliothek – immer blitzblank sauber, innen wie außen, er ist bereit, Fahrgäste aufzunehmen, die auf dem Weg zur Arbeit sind oder in die Flitterwochen, die einen Flug erreichen müssen oder eine Kreuzfahrt mit Tanzcombos und einem freundlichen Stab von Kellnern, Kapitänen und alleinstehenden Ärzten.
    Ich versehe meinen Dienst mit Stolz, denn ich und meine Kollegen, wir sind Boten in dieser Welt, die von uns bewegt und verbunden wird. Man stelle sich nur das Schicksal der Dynastien vor, wenn ihnen keine Esel, keine Elefanten, keine Kamele zur Verfügung gestanden hätten, von Pferden ganz zu schweigen. Man stelle sich nur die Hyksos ohne ihre Streitwagen vor, die mohammedanischen Invasoren ohne ihre buckligen Diener, jene mächtigen Träger von Datteln, Schwertern, Wasser und Ziegenmilch! Ohne die Dienste des Kamels würden sich die unterlegenen Byzantiner noch heute um das Geschlecht der Engel streiten und sich dabei für die intakte Öffnung der Jungfrau Maria beglückwünschen.
    Versteckt in meinem Wagen befinden sich ein raffinierter Staubwedel und ein Schraubenzieher. Der Staubwedel liegt unter dem Sitz, der Schraubenzieher griffbereit im Türfach.
    Ich bin nämlich dem Rat meines Freundes Mamadou gefolgt, der senegalesischen Spinne aus dem Café Bolero. Trag auf keinen Fall eine Waffe, auch kein Messer. Nimm lieber einen dicken Knüppel und schmück ihn mit ein paar Straußenfedern, so hältst du dir das Gesocks und die Gestörten vom Leib, mit dem Schraubenzieher stichst du zu, wenn du keine andere Wahl hast. So kann dir die Polizei nicht vorwerfen, du hättest mit Vorsatz gehandelt, du kannst immer behaupten, du hättest nur nach dem Nächstbesten gegriffen, um dich zu verteidigen.
    Und doch bin ich viele Jahre ohne diese Dinge gefahren, bis mein Wagen so schmutzig und klapprig war, dass ich Angst hatte, die Spiegel könnten abfallen und die Türen könnten von selbst aufgehen und die Ärmsten der Armen würden mich um eine kostenlose Fahrt anbetteln.
    Wie der Obdachlose, den ich in einer eiskalten, trostlosen Nacht mitgenommen habe. Er schien kurz davor, zusammenzubrechen. Er trat vor mein Auto, der Verkehr kümmerte ihn nicht, die Ampel über seiner Schulter blinkte wie ein Heiligenschein. Er stellte seine Müllsäcke mitten auf die Fahrbahn, streckte die Arme aus wie Jesus und flehte mich an, ihn mitzunehmen. Ich ließ das Fenster herunter. Er kam, zeigte hinter sich in den Himmel und sagte: Da will ich hin, ich habe es nicht weit, bitte, haben Sie Erbarmen, ich bin ein alter Knochen. Ich friere, ich habe kein Geld für den Bus, ich habe Hunger und muss zum Asyl, da gibt es Suppe.
    Ich nahm ihn mit. Er saß neben mir, auf seinem Schoß türmten sich die Tüten, sie reichten bis zum Handschuhfach und bedrängten mich. Er roch nach Not und Verzweiflung, sprach über Gott und die Engel. Er habe sie gerade erst gesehen, meinte er.
    Wen, fragte ich.
    Die Engel, sagte er, die Engel. Seine Lippen flatterten wie federlose Flügel und die Dosen in seinen großen schwarzen Plastiksäcken klapperten, gefangenen Teufeln oder Schlangen gleich, während er erklärte, wie die Engel auf einem Streifen am Flussufer gelandet seien. Unter der Brücke setzte ich ihn ab. Er stieg aus und rannte sofort los, und während er rannte und beinahe über seine Müllsäcke stolperte, rief er noch: Ich werde für Sie beten, ich werde für Sie beten.
    Wenige Minuten später, als ich einem Kunden das Rückgeld geben wollte, stellte ich fest, dass die Hand des Mannes, der mir Fürbitten versprochen hatte, unter den Säcken durchgeschlüpft war, und mein Geld gestohlen hatte. Der Kunde, der mir alles über die Schule seiner Kinder und seine Frau erzählt und sich über die stetig wachsende Verbrechensrate in der Stadt ausgelassen hatte, begann nun, sich über die Taxifahrer zu beklagen, die nie Kleingeld bei sich hätten. Ich glaube, das machen Sie extra, sagte der Mann, Sie bekommen so mehr Trinkgeld.
    Argwöhnisch, dachte ich, die Menschen sind so argwöhnisch, ihnen fehlt jedes Verständnis.
    Alle bezahlen sie mit großen Scheinen, die Reichen wedeln damit an unseren Schultern, weil
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