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Dinnerparty

Titel: Dinnerparty
Autoren: Anke Clausen
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Prolog
     
     
     
    »Miez, Miez.«
    Das kleine, wenige Wochen alte Kätzchen schaute zu ihm auf. Es war ganz weiß und so puschelig wie Zuckerwatte. Seine beiden Geschwister hatten nicht überlebt. Das Kleine schien die anderen zu vermissen. Das traurige Maunzen nervte ihn schon den ganzen Tag. Er nahm das Katzenbaby auf den Arm und streichelte es gedankenverloren. Das erste Kätzchen hatte er mit Rattengift getötet. Dem zweiten hatte er pulverisierte Schlaftabletten in die Milch gemischt. Das war alles nicht spektakulär gewesen. Er hatte viel über Gifte gelesen. Arsen war das Gift im viktorianischen Zeitalter gewesen. Man hatte Buchseiten damit präpariert und so den Leser langsam, aber sicher vergiftet. Faszinierend, aber für seine Zwecke unbrauchbar. Zyankali war wundervoll. Es wurde im Körper zu Blausäure. Diese verhindert die Sauerstoffaufnahme des Blutes. Das Opfer würde trotz Atmung ersticken. Sein Lieblingsgift war aber Strychnin. Das Gift lähmte die Lungen. Er hatte gelesen, dass das Opfer so starke Krämpfe erleidet, dass ihm die Muskeln von den Sehnen reißen, bei vollem Bewusstsein. Das war wirklich eine Strafe. Leider stellte es sich als unmöglich heraus, an dieses Gift zu kommen.
    »Deine Geschwister sind doch nicht umsonst gestorben!«
     
    Das Kätzchen hatte sich beruhigt und schnurrte leise auf seinem Schoß. »Und außerdem muss ich jetzt wirklich los. Du dumme Mieze hast doch keine Ahnung. Ich hab hier echt was zu regeln. Es geht um Gerechtigkeit. Gerechtigkeit! Hast du das kapiert?«
    In diesem Moment hasste er nichts mehr als dieses Katzenbaby. Er streichelte dem kleinen Kätzchen ein letztes Mal das Köpfchen, dann brach er ihm das Genick. Es knackte ein bisschen. Das Knallen der abreißenden Muskeln bei einer Strychninvergiftung hätte er spannender gefunden.
    Zum Glück hatte er doch noch eine Möglichkeit gefunden, einen Menschen zu vergiften. Er musste es nur noch ausprobieren.
    Er tastete nach der Flasche in seiner Jackentasche. Das Wodkagemisch war ein Todescocktail und er war gespannt, wie er wirken würde. Das tote Kätzchen stopfte er in die leere Schachtel vom China-Lieferservice und legte diese ins Eiswürfelfach. Er würde sich morgen darum kümmern. Jetzt musste er sich mental auf seinen ersten Menschenmord vorbereiten.
     

1
     
    Sonntag
     
    Sophie Sturm rührte in dem Eimer Ochsenblut. Sie starrte in das Rot und stellte sich vor, wie es an den Wänden ihrer neuen Küche wirken würde. Ein paar Fliegen schwirrten umher. Sie hatte die Fenster weit geöffnet. Nach drei heißen Sommertagen lag endlich ein Gewitter in der Luft. Dunkle Wolken türmten sich auf und ein böiger Wind wehte. Sophie fummelte ein Zopfgummi aus ihrer Hosentasche und band sich das lange Haar im Nacken zusammen. Der Farbton Ochsenblut war ein echter Hingucker. Sie hatte sich die Wandfarbe extra anmischen lassen. Der matte Edelstahl ihrer Kochutensilien würde vor dem dunklen Rot großartig wirken. Auch wenn sie jetzt schon vier Wochen in ihrer neuen Wohnung in Othmarschen wohnte, sah es bei ihr aus, als wäre sie gerade erst eingezogen. Überall standen Umzugskisten herum und einige Wände warteten noch auf ihren Anstrich. Sie hatte keine Eile. Wichtig war nur, dass am Ende alles so war, wie sie es sich vorgestellt hatte. Jeden Abend knipste sie die Bauscheinwerfer an und renovierte mit dem einen oder anderen Glas Rotwein in ihrem neuen Zuhause herum. Nach den Ereignissen auf Fehmarn im vergangenen Jahr, die sie um ein Haar das Leben gekostet hätten, hatte sie beschlossen, aus Eppendorf wegzuziehen. Es hatte sich damals so viel in ihrem Leben geändert, dass es für sie unmöglich war, weiter in ihrer alten Wohnung zu bleiben. Zu viel erinnerte sie an die Vergangenheit. Sie wollte einen persönlichen Neustart und dabei war ein neues Heim in einem anderen Stadtteil die logische Konsequenz. Auf Fehmarn hatte sie die Weite und die Nähe zum Wasser lieben gelernt. Sie hatte sogar einen Augenblick darüber nachgedacht, aufs Land zu ziehen. Eppendorf war ihr plötzlich eng und hektisch vorgekommen. Ohne ihren geliebten Hund hatte sie auch keinen Grund mehr gesehen, durch die Parks zu spazieren, und um die Alster war sie schon unzählige Male gejoggt. Als sie im matschig nassen Hamburger Winter die Elbchaussee entlangfuhr, um von einer Promiveranstaltung im Hotel Louis C. Jacob zu berichten, fasste sie den Entschluss, an die Elbe zu ziehen. Sie hatte in der Zeitung und im Internet nach einer neuen
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