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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind
Autoren: Frederike Schmöe
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immer noch schwer, sich eine Beziehung mit Hardo vorzustellen. Jedenfalls nicht in ihrer mit Erinnerungen verklebten Wohnung. Niedorfs Haus im Sand fiel ihr ein. So ein altes Gebäude zu renovieren, könnte Spaß machen. Aber nicht allein. Nur mit jemandem zusammen. Versonnen betrachtete sie Hardo, der das letzte Fetzchen Kloß mit der Gabel zerdrückte und verschlang.
    »Was ist?«, fragte er und schob den Teller beiseite.
    Katinka lächelte unbestimmt. Sie brachte es nicht über sich, ihre Sehnsucht nach außen zu kehren. In der Fantasie war sie viel weiter. Lag in seinen Armen. Erschrak am Morgen darüber, dass sie doch allein war.
    »Hast du noch Zeit für einen Spaziergang?«, fragte sie.
    »Sowieso.«
    Er bestand darauf, zu zahlen. Sie gingen am Fluss entlang. Tauchten unter der Markusbrücke durch, wo Katinka immer den Kopf einzog, weil sie meinte, an den eisernen Bögen anzustoßen, die sie leicht mit ausgestreckter Hand berühren konnte. So oft träumte sie, er würde sie in den Arm nehmen, aber nun, da er neben ihr ging, erschien ihr die Vorstellung erschreckend. Sie begann, belanglose Dinge zu erzählen. Das Ufer grünte und blühte. Die Luft duftete nach Früchten und Sommer. Wieso kann ich ihm nicht sagen, dass ich es mit ihm probieren will, dachte sie. Nur ein, zwei Wörter. Es müsste nicht einmal ein ganzer Satz sein.

3. Liebe auf Russisch
    Der Tag begann heiß. Katinka lief die Willy-Lessing-Straße in Richtung Kanal. Durch die Baustelle an der Brücke war hier kaum Verkehr. Der Baulärm drückte auf die Ohren. In ihrem Mund schmeckte sie Staub. ›Kanzlei Müller‹, las sie auf einem Messingschild. Es sah alt und verwittert aus, obwohl Hardo von einer Anwältin gesprochen hatte, die neu in Bamberg sei. A Neigschmeggda . Es gab überall Leute, die Schwierigkeiten mit Neuankömmlingen hatten.
    Sie lief die Treppe zur Eingangstür hinauf und klingelte.
    »Kommen Sie schon rein!«
    Die Frau, die ihr die Tür aufriss, mochte um die 50 sein. Sie war stark geschminkt und roch nach Zigarette. Eine schwarze Mähne wölkte um ihr mageres Gesicht. Sie trug einen Minirock, trotz der Hitze hochhackige Stiefel bis zum Knie und ein grelles, ärmelloses Top.
    »Palfy«, sagte Katinka und schluckte ihre Überraschung hinunter.
    »Ljubov Müller«, sagte die Frau. Sie streckte Katinka eine ausgemergelte Hand hin, die erstaunlich fest zudrückte. »Freut mich, dass Sie da sind.«
    Katinka folgte ihr in ein mit Büchern und Gerümpel vollgestopftes Büro.
    »Meine Sekretärin ist in Urlaub, ich darf den Laden allein schmeißen«, sagte Ljubov Müller und zündete sich eine Zigarette an. Im Regal entdeckte Katinka eine ganze Stange ›Nil‹. Früher hatte sie die Schachteln wegen ihres Designs und der blauen Farbe gemocht, aber durch die EU-Todesanzeigen war der Gesamteindruck ziemlich verhunzt.
    »Setzen Sie sich. Es gibt Tee.«
    Katinka verabscheute Tee.
    »Dieser Tee wird Sie überzeugen«, sagte Ljubov und ging zu einem Samowar in der Ecke. Ihr Deutsch war perfekt, aber der starke russische Akzent machte die Wörter weich. Jeder einzelne Satz klang wie der Anfangstakt eines Wiegenliedes. Skeptisch sah Katinka zu, wie Ljubov Tee aus einer Kanne in eine Tasse goss und den dunkelbraunen Sud mit heißem Wasser aus dem Samowar auffüllte. Sie stellte die Tasse samt Zuckerdose vor Katinka ab.
    »Marmelade ist aus«, sagte sie entschuldigend und schenkte sich ebenfalls eine Tasse ein. »In Russland nehmen wir Marmelade zum Tee. Man muss sich bei Laune halten.« Sie lachte. »Also, Jens Falk. Er hat mir gestern gesagt, dass er bei Ihnen war. Juristisch hat die Polizei kaum etwas in der Hand. Dennoch sollten wir Fakten sammeln, die ihn entlasten.«
    »Wir?«, fragte Katinka. Fasziniert betrachte sie die Sammlung an Lesebrillen auf dem Schreibtisch.
    »Sie machen doch mit, oder? Wie hoch ist Ihr Tagessatz?«
    Katinka nannte eine Summe, worauf Ljubov Müller in die Schreibtischschublade griff und ein paar Scheine herausnahm. Sie zählte sie vor Katinka auf den Tisch und st eckte dann alles sorgsam in ein Kuvert.
    »Falks Geschichte geht so«, sagte sie und reichte Katinka den Umschlag. »Er traf sich im ›Weinfass‹ mit seiner Ex. Sie wollte ihn, so sagt er, zurückgewinnen. Die Tussi kam ohne ihn nicht klar. Die beiden haben sich im April getrennt, und Doris Wanjeck verwand das nicht. Liebster, du bist mein Leben. Nach dem Motto.«
    Unkonzentriert sah Katinka in ihre Tasse. Tee! Bei der Hitze!
    »Sie verabredete sich mit
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