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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind
Autoren: Frederike Schmöe
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weiterkommen. Katinka überlegte sich sorgfältig ihre nächste Frage.
    »Haben Sie etwas für mich, was Falk helfen könnte?«
    »Wissen Sie, ich finde Falk sympathisch, und er tut mir leid, aber ich kann nichts zur Sache sagen.«
    Du mauerst, dachte Katinka ärgerlich. Aber ich koche dich noch weich.
    »Danke für den Espresso«, sagte sie und stand auf. »Die Kekse waren wirklich vorzüglich.«

     
    Es ist ihr einfach passiert.
    Es ist aus dem Ruder gelaufen. Sie kann sich nicht erklären, wie … doch. Sie raucht, und das Nikotin macht die Gedanken klar. Doch, sie kann es sich erklären. So passieren die Dinge. Irgendwo geschieht etwas Unerwartetes, der berüchtigte Zufall, und dann laufen Handlungen ab, die niemand geplant hat, aber sie vollziehen sich einfach. Einmal losgetreten, entfalten sie ihre eigene Dynamik, unaufhaltsam wie ein herrenloser Ski, der unkontrolliert zu Tal rast und irgendwo an einem Felsen zerschellt. Aber sie wird nicht zerschmettern. Es war ein Fehler, einfach so. Ein Fehler. Sie drückt die Zigarette aus und zündet die nächste an. Niemand wird etwas herausfinden. Sie hat in aller Eile für den größtmöglichen Schutz gesorgt, das Kennzeichen mit Paketband überklebt, den Helm und die Motorradkleider entsorgt. Die Sachen werden nie gefunden, nie!
    Himmel, wie ihre Finger zittern. Wie war das damals, bei ihrem Peiniger? Ihm zitterten nicht die Finger, jedenfalls nicht gleich. Aber vor Gericht hat er doch das Flattern bekommen, einmal musste sogar ein Arzt gerufen werden. Sie weiß es, weil ihre Eltern am Abend darüber gesprochen haben. Sie denkt zu oft an diesen Mann. Es hat sich eine Bindung aufgebaut, die sie erschreckt. Sie hat jahrelang seine Wege verfolgt. Sehr behutsam, ist immer die Beobachterin geblieben. Sie ist sicher, er hat alles verdrängt, doch nachts kriechen die Ratten des schlechten Gewissens durch seine Träume.
    Die Frau inhaliert tief den Rauch. Sie hat eine Liste angelegt. Um Gottes willen, nicht auf Papier oder gar im Rechner, nein, im Geist. Die Gedanken sind immer noch frei, denkt sie und lächelt. Sie hat sich in ihrem Kopf notiert, was als Nächstes zu tun ist. Sie kommt zurecht.

2. Ein Schock
    Das Gefühl, Charly Niedorf wisse etwas über die Vorwürfe gegen Jens Falk, verfolgte Katinka, als sie zum Hainbad radelte, ihr Fahrrad abschloss und sich zu ihrem Lieblingsplatz am äußersten Ende des Steges aufmachte. Das Wasser war kühl, und während sie gemächlich stromaufwärts schwamm, ließ sie sich Niedorfs Worte durch den Kopf gehen. Sie glaubte ihm nicht. Er wusste, wo sein Sohn war, aber er sagte es nicht. Warum? Katinka machte ein paar entschlossene Schwimmzüge. Im Westen standen dicke, schwere Wolken am Himmel. Schützt er seinen Sohn? Oder schützt er Jens Falk vor seinem Sohn? Das gibt’s nicht, dachte sie. Wieder wanderte ihr Blick zu den Wolken am Horizont. Es sollte Flugzeuge geben, die mit chemischen Substanzen das Wetter veränderten. Die Chemtrails, die man mitunter am Himmel zu sehen bekam, waren von den Kondensstreifen der Düsenjets kaum zu unterscheiden. Science-Fiction, dachte Katinka. Vielleicht gab es in den Wolken auch mikroskopische Sender, die die Tätigkeiten von verdächtigen Zeitgenossen überwachten und dokumentierten. So ein Blödsinn, schalt sie sich. Sie kraulte gegen die Strömung und kam weit voran, fast bis zur Buger Spitze. Wer ist denn schon ein Verdächtiger? Prinzipiell jeder. Jeder Knallkopf kann Terrorist sein. Könnte. Theoretisch. Sie drehte sich auf den Rücken und ließ sich zurücktreiben. Ein Kajak schoss vorbei. Mit verbissenen Gesichtern trieben die beiden Kanuten ihr Gefährt den Fluss hinauf. Mit Ernst bei der Sache zu sein, ist das A und O, dachte Katinka grinsend. Solche Leute geraten nicht ins Fadenkreuz der Spione. Doch wer witzelt und spöttelt, der macht sich verdächtig.
    Sie stieg aus dem Wasser. Der Wind ließ sie frösteln. Rasch trocknete sie sich ab und schlüpfte in ihre Sachen. Der Himmel zog zu. Auf ihrem Handy leuchtete das SMS-Symbol auf. ›Lust auf ein Bier? Hardo.‹ Sie strich mit dem Finger über das Telefon. Warum eigentlich nicht? Sie sah auf die Uhr. Gleich sec hs. Sie tippte die Antwort. ›Ja. Griesgarten?‹ Seine Reaktion kam sofort. ›In einer Stunde!‹ Katinka krauste die Stirn. Das war kein Vorschlag, sondern ein Befehl. Dieser Kommandoton ging ihr wirklich auf den Geist. Er ist stets und ständig Polizist, dachte sie. Vielleicht wird man so, als Ermittler. Keine tollen
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