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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind
Autoren: Frederike Schmöe
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freiwillig mitmachen.«
    »Kryptografie? Was machen die in dem Kurs?«
    »Nicht Kryptografie! Kryptoanalyse. Sie schreiben da keine Codes, sondern knacken welche.« Niedorf schenkte Espresso in die Tässchen. »Nehmen Sie sich Zucker. Schmecken Ihnen meine Kekse?«
    Katinka biss in ein Plätzchen. Es war genau richtig, locker, aber nicht bröselig, süß, aber nicht zuckrig.
    »Zwischen den Codeknackern und den Verschlüsselern herrscht seit Anbeginn der Zeiten ein erbitterter Kampf. Die Kryptografen basteln an immer besseren Codes, und die Analytiker tun alles, um die Codes zu knacken. So hat Hannes mir das mal erklärt.«
    »Wo ist Hannes?«
    Niedorf stutzte.
    »Also doch.« Er grinste schief. »Deswegen sind Sie gekommen. Ich habe keine Ahnung.«
    »Das glauben Sie doch selbst nicht«, sagte Katinka und lächelte ihn an.
    »Hübsch können Sie lächeln, Frau Palfy.«
    »Gut und schön, wenn Sie nicht sagen, wo sich Ihr Sohn aufhält. Aber Jens Falk kriegt Probleme.«
    »Ich habe alles getan, damit er glimpflich davonkommt. Wie man hört, ist nicht Hannes der Gipfel der Ungeheuerlichkeiten, sondern da sind ganz andere Dinge passiert. Komisch, oder? Ein Mathelehrer, dessen Steckenpferd Verschlüsselung und Entschlüsselung sind, wird gefeuert, weil er sich angeblich an Schülerakten vergriffen hat. Das ist doch alles vorgeschützt.« Niedorf leerte seine Tasse in einem Zug. »Die wollten den Mann weghaben und schoben ihm irgendwas Widerwärtiges in die Schuhe. Ein alter Trick.«
    »Aber warum? Warum will jemand Falk ausschalten?«
    »Er hat schlechte Zähne.«
    »Wie bitte?«
    »Wussten Sie, dass der bayerische Staatshaushalt zu 25 Prozent mit Pensionszahlungen belastet ist? Die haben Angst vor den Versorgungsansprüchen!«
    »Hören Sie auf. Karies kann doch nicht der Auslöser für solche Gemeinheiten sein.«
    Niedorf zuckte die Schultern.
    »Vielleicht wurde er jemandem gefährlich? Was weiß ich.« Er presste die Lippen aufeinander.
    Katinka trank von ihrem Kaffee.
    »Kennen Sie sich auch mit Kryptoanalyse aus?«
    »Ich verstehe mich als Bürgerrechtler«, sagte er. »Und ich weiß, dass alles, was wir noch an Privatheit besitzen, gerade den Bach runtergeht. Der Staat will uns aushorchen bis auf die kleinen, spitzen Schreie beim Sex. Man hat nicht einmal mehr das Recht, in Ruhe gelassen zu werden.« Er sah weg, als überkomme ihn ein ungutes Gefühl.
    Katinka drehte ihre Tasse in den Händen und sah Niedorf ins Gesicht. Erst jetzt bemerkte sie seine grasgrünen Augen. Zu grün, um echt zu sein, dachte sie. Aber manchmal stückelt die Natur eben unglaubliche Merkmale zusammen.
    »Jeder von uns nutzt das Internet, und wenn Sie das tun, sind Sie so gut wie nackt. Früher mussten die Tyrannen einen gewissen Aufwand betreiben, um an Infos über ihre Untertanen ranzukommen. Durchsuchungen, Festnahmen, Briefe abfangen und über Wasserdampf öffnen … ziemlich arbeitsintensive Geschichte. Aber in der digitalen Welt sieht es anders aus. Nun kann innerhalb von Sekunden eine gewaltige Menge an Daten über x-beliebige Leute erhoben werden. Und Sie merken nicht einmal, dass Sie durchsucht werden! Doch selbst wenn Sie Verdacht schöpfen sollten: Sie können nichts nachweisen. Die perfekte Überwachung. Ich sage Ihnen«, er fuhr sich durchs Haar, »irgendwann wird es so weit sein, dass die Neugeborenen einen Chip ins Ohr kriegen mit einer kleinen Software, die sämtliche Informationen zu diesem Menschen enthält. Krank? Subversiv? Politisch auffällig? Schlecht in Latein? Liebeskrank? Vorbestraft? Schwanger? Alles wird sofort abrufbar sein. Elektronisch wäre der Mensch dann komplett erfasst. Scanner an Grenzübergängen, Flughäfen, Autobahnen, Fußballstadien und anderen neuralgischen Punkten registrieren jede Bewegung. Sogar wenn Sie im Wald Pilze suchen, weiß immer jemand, wo Sie sind.«
    Katinka stellte ihre Tasse ab und blickte über das Geländer in die flimmernde Hitze hinaus. Davon wollte sie nichts hören. Sie wollte sich nicht vorstellen, dass irgendwo in Kellern Leute saßen und ihren Computer durchforsteten. Jetzt eine Runde Schwimmen im Fluss, dachte sie, wäre gerade richtig.
    »Meldet sich Hannes ab und zu bei Ihnen?«
    Niedorf zuckte.
    »Er ist volljährig.«
    »Und sein Abitur? Sie sagen, er sei ein guter Schüler. Verpasst er nicht zu viel Stoff?«
    »Hannes kann das nachholen. Es ist seine Angelegenheit.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen?«
    »Mein Sohn und ich vertrauen einander.«
    Hier würde sie nicht
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