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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind
Autoren: Frederike Schmöe
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Lust hat, macht er nur das Nötigste, aber das haben wir ja alle so durchgezogen.«
    Katinka lachte schallend, nannte Falk ihre Preise und Bedingungen und kassierte im Voraus 500 Euro.

     
    Charly Niedorf wohnte in der Sandstraße. Katinka brauchte mit dem Rad gerade mal fünf Minuten.
    »Palfy?«, fragte er verblüfft, als er ihr öffnete. Er trug Jeans, ein gebatiktes Shirt und durchlöcherte Socken. Die jugendlichen Klamotten passten nicht recht zu seinem verknitterten Gesicht und dem wirren, grauen Haar. Unruhe zeichnete rosige Flecken auf sein Gesicht.
    »Es geht um Ihren Sohn. Und seinen Lehrer, Jens Falk.«
    Katinka blickte sich offenherzig um, als sie Niedorf ins Haus folgte. Hier herrschte purer Individualismus. Nichts war einfach nur gekauft und hingestellt worden. Auf sauber geschliffenen und geölten Dielenböden hockten flache Sitzmöbel mit fantasievollen, selbstgefärbten Bezügen. In der Küche herrschte trotz der Hitze angenehme Kühle. Auf dem Tisch setzten Kräutertöpfchen Moos an. Ein Eimer mit Farbe stand mitten im Raum.
    »Vorsicht«, sagte Charly Niedorf, »ich erneuere gerade die Borte.« Er wies nach oben, wo sich knapp unter der Decke meergrüne Muster rankten. »Möchten Sie einen Kaffee?«
    »Ja, gern«, sagte Katinka.
    »Espresso?«
    »Entweder Espresso, also einen richtigen Mokka, oder Milchkaffee mit viel heißer Milch.«
    Niedorf lachte, schraubte eine Caffetiera auf und spülte sie unter fließendem Wasser ab. Es gab Katinka einen kleinen Stich im Herzen. So einen Kaffeekocher besaß sie auch, aber seit Tom nicht mehr mit ihr lebte, hatte sie die Tradition, abends einen Espresso zu brauen, aufgegeben. Niedorf betätigte eine elektrische Kaffeemühle. Das Gerät holperte jaulend über das Küchenbüfett.
    »Ist total laut, aber frisch gemahlen schmeckt der Kaffee eben besser«, verkündete er. »Sie wollen etwas über Hannes wissen?«
    »Zunächst interessiert mich sein Lehrer, Jens Falk«, sagte Katinka. Sie schob einen Stapel Zeitungen beiseite, um sich zu setzen. Niedorf las die ›taz‹, außerdem ›Neues Deutschland‹. Und ›Emma‹.
    »Ein netter Kerl, nur leider vom Pech verfolgt«, seufzte Niedorf und stellte die Caffetiera auf den Herd.
    »Wie ist es denn so am Paul-Celan?«, fragte Katinka. »Man hört so einiges.«
    »Herrje!«, schnaubte Niedorf. »Hannes wollte unbedingt an dieses Gymnasium, weil sein bester Freund auch dort landete. Valentin ist genauso ein Mathefreak wie mein Sohn. Entweder hocken sie hier in Hannes’ Zimmer vor dem Computer oder bei Valentin, draußen in Stegaurach. Er ist der Sohn von Hans-Peter Kazulé … na, egal. Sie geben sicher nichts auf Bamberger Klatsch. In dem Alter jedenfalls bin ich mit meinen Kumpels den Mädchen hinterher. Aber die beiden interessieren sich nur für ihre kryptischen Rätsel.«
    »Sie sind nicht zufrieden mit der Schule?«
    »Mich geht das nichts an. Hannes hat gute Noten. Er schafft das Abi locker. Danach kann er machen, was er will. Erst mal Zivildienst. Da bin ich hart.«
    »Stimmt es, dass das PCG die höhere Schule für die Bamberger Konservativen ist?«
    »Wollen Sie mich herausfordern?« Er nahm ein Tablett und stellte Espressotassen, Zuckerstreuer und eine Schale mit Keksen drauf. »Sie sehen mir doch an, dass ich mit den Eltern dort nicht viel gemeinsam habe. Richter, Staatsanwälte, Professoren, Ärzte … die schicken ihre Kinder ans Paul-Celan. Eine alte, renommierte Schule.«
    »Was sind Sie von Beruf?«
    Der Espresso begann zu gurgeln.
    »Schreiner.« Niedorf grinste. »Kommen Sie. Tragen Sie den Kaffee?«
    Katinka folgte ihm auf eine schmale Veranda mit gedrechseltem Geländer und Blick auf einen winzigen Innenhof.
    »Sieht ein bisschen nach Knast aus, wie? Ein Stück Himmel für die grobe Orientierung, aber dafür lebt man mitten in der Stadt.«
    Katinka überlegte, wie es wäre, hier zu wohnen. Ihre alte Wohnung würde sie auf Dauer nicht halten; für eine Person war sie zu groß, zu teuer und überdies vollgestopft mit Erinnerungen an ein Leben zu zweit. Wobei wir nie sehr viel zu zweit waren, dachte sie kritisch, denn irgendwie haben wir immer mehr allein unternommen als gemeinsam.
    »Also, Jens Falk. Hannes mag ihn. Ein Lehrer, der es mit den Schülern kann. Er scheint den richtigen Ton zu treffen. An den meisten anderen Paukern lässt Hannes kein gutes Haar. Falk bietet einen Extrakurs am Nachmittag an: Kryptoanalyse. Muss schon was Faszinierendes sein, wenn zehn schulgestresste junge Leute
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