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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind
Autoren: Frederike Schmöe
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ich zu schnell?«
    Katinkas Kuli wetzte über das Papier. Dort, wo ihre Hand Schweißspuren hinterlassen hatte, schrieb er nicht. Sie schob ihn weg und griff nach einem Bleistift.
    »Nur zu!«, sagte sie. Wenn ein Klient so energiegeladen loslegte, musste sie das ausnutzen. Den meisten zog sie die Informationen häppchenweise aus der Nase.
    »Alles begann kurz nach den Pfingstferien. Ich war mit meinem Physik-Grundkurs in München im Deutschen Museum. Ist immer eine Reise wert. Und während der Exkursion verschwand ein Schüler. Hannes Niedorf.« Falk öffnete die Flasche und goss sich Sprudel ein. »Natürlich lief der ganze Leierkasten ab. Polizei, Schule und Eltern wurden benachrichtigt, das heißt nur der Vater, Hannes ist Halbwaise. Der Junge ist schon 18, also war nicht viel zu machen.«
    Katinka runzelte die Stirn und sah Falk zu, wie er ihr Glas füllte.
    »Sie können sich vorstellen, was in der Schule los war. Stress pur. Nur Charly, Hannes’ Vater, war ziemlich gefasst. Er behauptete, sein Sohn sei erwachsen. Charly ist ein recht … ungewöhnlicher Vater.«
    Katinka schrieb das nächste Blatt voll.
    »Inwiefern ungewöhnlich?«
    »Er ist ein Ultralinker. Mir ist nicht klar, warum Hannes an unserer Schule gelandet ist. Da brauchst du ein schwarzes Parteibuch, wenn du die Klos putzen willst. Die Eltern unserer Schüler sind aufs Höchste ambitioniert und wollen überall mitquasseln. Das nervt.«
    »Ihre Verbeamtung ging den Bach runter, weil Sie den Schüler Hannes Niedorf während einer Exkursion im Deutschen Museum verloren haben?« Katinka trank einen Schluck.
    »Nein. Meine Aufsichtspflicht habe ich nicht verletzt, es war ein genauer Treffpunkt verabredet, und Hannes ist, wie gesagt, erwachsen.« Jens Falk sah grimmig vor sich auf den Tisch. »Es gab im letzten Halbjahr einiges Unschöne am PCG. Erst sind kurz vor Notenschluss im Winter Klassenarbeiten verschwunden. Meine Klasse hatte gut gearbeitet. Die Neunte ist super. Ich hatte alles korrigiert. Plötzlich waren die Dinger weg.« Falk raufte sich das Haar, sein T-Shirt klebte von Schweiß. »Ich weiß, dass ich sie nicht verschlampt habe. Ich sehe im Moment nicht so aus, aber ich bin ein ordentlicher Mensch und weiß sehr wohl am Morgen noch, wo ich am Abend meine Arbeitsmaterialien abgelegt habe. In meinem Arbeitszimmer herrscht peinliche Ordnung.«
    »Kein Verdacht?«, fragte Katinka.
    »Es muss jemand bei mir eingebrochen sein und die Sachen abgeräumt haben, aber ich habe nichts mitgekriegt. Es war in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Am Abend hatte ich die Arbeiten noch. Am Morgen wollte ich sie den Schülern zurückgeben. Tja.«
    »Haben Sie den Einbruch angezeigt?«
    »Schon, aber niemand hat mir geglaubt. Man hat keine Spuren gefunden. Ich wohne am Hinteren Bach. Nur zwei Fenster gehen zur Straße. So leicht steigt da keiner ein.«
    »Haben Sie jemandem einen Zweitschlüssel anvertraut?«
    Falk schüttelte stumm den Kopf.
    »Aber Sie hatten doch die Noten?« Katinka trank ihr Glas leer. Ein warmer Wind fegte durch die offene Tür und wirbelte die Notizblätter durcheinander.
    »Eben nicht. Schön blöd, aber ich wollte mir eine DVD reinziehen und dachte, ich könnte die Noten ebenso gut am nächsten Morgen noch eintragen. Was sich am Tag danach im Zimmer von unserem Chef abspielte, können Sie sich gar nicht drastisch genug vorstellen.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Er und einige andere führten einen Tanz auf. Fielen über mich her. Der unzuverlässigste Referendar seit Menschengedenken. Und dann war da noch eine andere Sache.«
    »Ja?«
    Falk fuhr sich durch das verschwitzte Haar.
    »Aus Schülerakten sind Unterlagen verschwunden. Sensible Sachen! Noten, Kommentare, familiärer Hintergrund.« Er seufzte. »Es gab eine Untersuchung. Das Fiese war, dass ich einige Akten vorher zur Einsicht aus dem Sekretariat geholt und später zurückgestellt hatte. Ich hätte theoretisch etwas rausnehmen können, als ich die Dokumente im Lehrerzimmer bei mir hatte.«
    »Aber Sie haben nichts rausgenommen«, stellte Katinka fest. Sie glaubte ihm aufs Wort. »Verschwundene Klassenarbeiten, ausspionierte Akten und ein abgetauchter Schüler sind eindeutig zu viel für eine Lehrerbiografie.«
    Jens Falk nickte bekümmert.
    »Übernehmen Sie die Sache? Ich muss meine Weste weiß kriegen, auch wenn meine Karriere am Gefrierpunkt angekommen ist.«
    »Ist Hannes ein guter Schüler?«
    »Absolut. Der macht Abi, kein Thema. In den Fächern, zu denen er keine
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