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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind
Autoren: Frederike Schmöe
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werde dich nicht auf eine Rolle reduzieren«, sagte Hardo. »Nicht auf eine Frauenrolle und auch nicht auf irgendeine andere. Ich erwarte mir nichts von dir. Ich sehe dich nicht als Dekoration meines Lebens, Katinka.« Sie konnte seine letzten Worte im Rauschen des Flusses kaum hören.
    Polarlicht, tanzende Funken in der hereinbrechenden Nacht. Sie öffnete den Mund, um ›ich kann nicht‹ zu sagen, aber ihre Lippen, ihre Zunge verweigerten die Bewegung. Sie holte tief Luft. Die war schwer vom Regen und vom Abendlicht. Hardo streckte die Hand aus und berührte ihre. Sie schauderte.
    »Wegen Anja«, fuhr Hardo fort. »Du machst dir Vorwürfe, weil du sie nicht beschützt hast. Aber du weißt genau, dass sie sich selbst in Gefahr gebracht hat und dass sie auch wusste, wie riskant es sein würde, sich mit Kaminsky zu treffen. Du brauchst dich nicht selbst zu strafen, indem du dir die Liebe entziehst, die Anja nie mehr bekommen wird.«
    »Nein«, flüsterte Katinka. »Nicht. Lass mich.« Sie machte einen Schritt rückwärts und stand im Wasser. Eiskalt schwappte es in ihre Schuhe. Sie zog die Schultern hoch. Hardo stand jetzt ganz nah vor ihr.
    »Ich trauere wie du um dieses kurze, junge Leben«, sagte er heiser. »Aber du trägst nicht die Verantwortung für ihren Tod. Du konntest nichts für sie tun. Sie wird nicht lebendig, wenn du dein Leben wegschmeißt.«
    Die Kälte stieg Katinkas Beine hoch. Jetzt verfluchte sie das kurze Kleid, ihren ganzen Aufzug, und sehnte sich nach Jeans und einem warmen Pullover. Er ließ seine Finger über ihre Wange gleiten. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie wollte aber nicht weinen. Nicht hier und nicht vor ihm. Er würde ihren Schmerz, ihre Schuldgefühle nicht verstehen.
    »Wir müssen alle mit Versagen und Schwäche leben«, sagte er sehr leise. »Ich auch. Genauso wie die Kollegen, die im Kino dabei waren.«
    Verdammt, sie wollte hier weg, aber er versperrte ihr den Weg, und wenn sie nicht schwimmen wollte, musste sie irgendwie anders an ihm vorbeikommen. Ihr war kalt.
    »Kátinka«, sagte er und betonte ihren Namen, wie Ljubov es tat.
    Russisch. Samtweich. Katinkas Widerstand brach. Die Melodie dieser drei Silben ließ die Mauern bröckeln.
    »Ich weiß«, sagte er leise. »Du bist eine junge, schöne Frau. Du könntest eine ganze Reihe Kerle haben, wenn du willst. Solche ohne Bauch und mit Haaren.« Er lächelte traurig und fuhr sich über den kahlen Kopf.
    Katinka fühlte die Festung zusammenbrechen. Das tat nicht einmal weh. Hier stand ihr Leben vor ihr. Wenn sie jetzt nicht zugriff, wann sollte sie es dann jemals tun? Sie streckte die Hände aus und legte sie auf Hardos Bauch.
    »Ich will aber mit Bauch«, murmelte sie. »Und ohne Haare.«
    »Heißt das«, er bedeckte ihre Hände mit seinen, »du willst es mal mit mir probieren?«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Nicht probieren . Ich will richtig mit dir leben.«
    Ich habe das Vorläufige satt, wollte sie sagen, die Hintertürchen, die Schlupflöcher. Die Ausreden und Rechtfertigungen. Sie lehnte sich an ihn. Atmete den Duft seines gebügelten Hemds. So lange hatte sie seine Wärme entbehrt. Wie viele Wochen hatten sie einander nicht gesehen? Was ist nur in mich gefahren, dachte Katinka. Jeder Tag zählt. Was habe ich ihm angetan. Und mir selbst. Warum nur. Warum.
    »Gut«, murmelte er in ihr Haar. »Gut.« Seine Küsse erhitzten ihr Gesicht, und sie wusste nicht, ob sie vor Kälte oder Aufregung am ganzen Leib zitterte. Wahrscheinlich würden sie einander hier lieben. Am Strand. Sie hatte keine Ahnung, wie sie so schnell nach Hause kommen sollten, ohne dass die Erde sich auftun und sie in ihrem heißen Schoß verschlingen würde.
    »Taxi bitte«, hörte sie ihn sagen. »Ja, jetzt sofort. In die Geyerswörthstraße, Ecke Bischofsmühle.« Er steckte sein Telefon ein. »Es regnet«, sagte er. »Schon gemerkt?« Sanft strich er ihr die nassen Strähnen aus der Stirn. Nahm ihre Hand und zog sie mit Nachdruck zum Weg zurück. Ihre Füße waren vor Kälte ganz taub. Hardo wies durch den strömenden Regen. Scheinwerfer blendeten auf.
    »Unser Taxi.«
    Sie rutschten nacheinander auf die Rückbank. An Hardo geschmiegt, erwiderte Katinka kühl den Blick des Fahrers im Rückspiegel.
    »Ulanenplatz«, sagte Hardo, während er den Arm um Katinka legte. »Und schalten Sie die Heizung an.«

     

     
    E n d e

     

     

     
    Alle Schauplätze dieses Kriminalromans sind authentisch. Das Paul-Celan-Gymnasium, das
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