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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind
Autoren: Frederike Schmöe
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sich mit einem hörbaren Knurren zusammen.
    »Was machst du hier?«, flüsterte sie.
    »Schon lange keine Oldienacht mehr genossen«, erwiderte Hardo steif.
    Denkste, dachte Katinka und fühlte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Dass Hardo hier aufkreuzt, geht auf Brittas Rechnung, anders kann es gar nicht sein.
    Er berührte sacht ihre Schulter.
    »Hast du den nächsten Tanz schon vergeben?«
    Stumm schüttelte Katinka den Kopf.
    »Dann komm.«
    Sie ließ sich auf die Tanzfläche ziehen. Seine Hand auf ihrer Schulter brannte, und die andere führte sie sicher bis in die Mitte des Parketts. Das Rauschen in ihren Ohren übertönte die Musik. Hardo konnte tanzen. Gut sogar. Sein Griff war fest, doch er zog sie nicht an sich. Sie roch sein Aftershave. Wolken wirbelten durch ihren Kopf, Wolken aus Erinnerungen und Ängsten, violett und rot bestrahlt von den Reflexen der Lichtorgel.
    Jemand dimmte das Licht. Nein, dachte Katinka und machte sich steif. Nicht Elvis. Nicht jetzt. Tut mir das nicht an. You don’t have to say you love me . Hardos beide Hände lagen auf ihren nackten Oberarmen. Aus irgendeinem G rund beschämte sie diese Berührung. Sie waren einander schon viel näher gewesen, aber die Wärme seiner Finger auf ihrer verschwitzten Haut stellte eine Intimität her, der sie nicht gewachsen war. Ihr Kopf glitt an seine Brust. Believe me, I’ll never tell you down . Im Saal wurde es noch dunkler. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrem Haar.
    Sie sah Anjas zerschossenes Gesicht. Das viele Blut. Hörte Hannes weinen. Empfand seine Leere, sein Grauen. Wie rasend machte sie sich los. Sie stieß Hardo von sich, drehte sich um und stürmte von der Tanzfläche.
    Das Licht im Treppenhaus blendete sie für einen Augenblick. Sie rannte die breiten Stufen hinunter und stolperte auf die Straße. Es hatte aufgehört zu regnen. Katinka lief. Umschiffte ein betrunkenes Pärchen vor dem ›Schlenkerla‹ und ein paar Pfützen. Keuchend ging ihr Atem, und sie fühlte schmerz haft ihr Herz hämmern, als sie an der Brudermühle über den Steg lief. Sie blieb kurz stehen, sah auf das beleuchtete Rathaus, das sich vor dem tiefblauen Himmel abhob. Dies war Katinkas liebste Nachtansicht von Bamberg. Nur heute konnte sie sie nicht genießen, weil die Tränen ihr die Sicht nahmen. Das Fachwerk bekam Blasen davon. Sie sah sich um, ob i hr jemand folgte, und bog beim Schloss Geyerswörth links ab.
    Vor ihr lag das schmale Stück Land zwischen Regnitz und Altem Kanal. Man hätte hier baden können, wenn die Stromschnellen weiter flussaufwärts nicht wären, so flach führte der Sand in den Fluss. Nach Atem ringend, blieb Katinka stehen und sah auf das Wasser. Es rauschte so laut, dass kein anderes Geräusch an ihre Ohren drang. Kein Lachen aus dieser verregneten Nacht, kein Rufen, kein Hundegebell. Sie blieb stehen, die Arme vor der Brust verschränkt. Nach der Hitze in den ›Haas-Sälen‹ empfand sie die Frische der Nacht als unangenehm. Was ist nur in mich gefahren, dachte sie. Jemand liebt mich. Aber ich kann mich nicht auf ihn einlassen. Ich schaffe das nicht. Wieder tauchte die blutige Masse vor ihr auf, die einmal Anjas Gesicht gewesen war.
    »Wovor läufst du weg?«
    Sie fuhr herum.
    Hardo lächelte verhalten und hob entschuldigend die Hände.
    »Berufskrankheit. Beschatten kann ich nun mal.«
    Sie drehte sich weg. Schau mich nicht an. Das Make-up verläuft, weil ich heule. Das sieht beschissen aus, und wenn du mich anschaust, bin ich wehrlos. Er kam näher. Sie spürte ihn dicht hinter sich.
    »Warum willst du mich nicht?«
    Sie gab sich einen Ruck. Sie musste fair sein. Ihm wenigstens in die Augen blicken, wenn sie sagte, was sie zu sagen hatte. Und nachher würde sie mit Britta sprechen. Wie kam sie dazu, ihr Liebesleben steuern zu wollen! Katinka schluckte die Tränen hinunter und drehte sich zu ihm um. Seine Gletscheraugen glommen in der Dämmerung wie Polarlicht.
    »Ich weiß, wovor du Angst hast«, sagte Hardo. »Du fürchtest dich davor, dass unsere Beziehung nicht hält und dass du wieder einsam und verletzt dastehen wirst.«
    Sie konnte einfach nicht in seine Augen sehen.
    »Wir haben beide unsere traurigen Erfahrungen gemacht.« Er ging einen Schritt auf sie zu. Sie wich genauso weit zurück. »Aber meinst du nicht, dass es auf jeden Tag ankommt? Auf jeden einzelnen, an dem wir füreinander da sind?« Er machte noch einen Schritt. Sie zog sich zurück. Spürte, wie der nasse Sand unter ihren Füßen nachgab.
    »Ich
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