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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind
Autoren: Frederike Schmöe
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Schüler rauszuquetschen, ruf mich sofort an, ja?«

     
    Katinka stand um kurz nach zwölf vor dem Paul-Celan-Gymnasium. Es waren nur noch anderthalb Wochen bis zu den Sommerferien. Überdrehte Schüler schwirrten wie beschwipste Insekten aus dem Gebäude. Das ungute Gefühl schlich sich ein, das Katinka immer beim Betreten von Schulen überkam. Der Geruch nach Putzmittel und zu vielen unterschiedlichen Leuten auf zu engem Raum, nach Verschweigen und Verpetzen, nach endloser Eintönigkeit drückte ihr die Luft ab.
    »Kennt ihr einen gewissen Valentin Kazulé?«, fragte sie ein Mädchen mit blondem Pferdeschwanz.
    »Valente? Der steht dahinten!« Sie bückte sich nach ihrem Rucksack und entblößte eine bläulich schimmernde Tätowierung. Arschgeweih, dachte Katinka. Wer hat euch nur eingeredet, das wäre schön.
    »Hallo! Valentin Kazulé?«
    Ein schlanker junger Mann drehte sich um und sah Katinka überrascht an. Spiralige Locken umrahmten ein von der Hitze gerötetes Gesicht.
    »Was gibt’s?«
    Katinka setzte an, sich vorzustellen, als ein schwergewichtiger Mann mit ausgefranstem grauen Haar von der Zufahrt herüberwinkte.
    »Valentin! Kommst du?«
    Fieberhaft suchte Katinka nach einem Ansatzpunkt.
    »Nur ganz kurz. Ich habe eine Nachricht von Hannes.«
    »Was? Aber er hat doch gesagt …«
    »Können wir uns in Ruhe treffen?«, fragte Katinka rasch.
    »Valentin, wir haben es eilig«, polterte der Grauhaarige.
    »Sie sehen doch. Mein Vater.« Der junge Mann griff nach seiner Schultasche.
    »Hast du ein Handy?«
    Er nannte die Nummer. Katinka riss die Papierhülle von einem Streifen Wrigley’s Extra und schrieb sie auf.
    »Ich ruf dich an.« Sie sah ihm nach, wie er zu seinem Vater in den Mercedes stieg.
    »Was machen Sie hier?«
    Eine Dame im Kostüm eilte auf Katinka zu. Sie war klein, ging Katinka gerade bis zum Kinn. Ein akkurat geschnittener Pagenkopf gab ihr ein strenges Aussehen.
    »Palfy, Privatdetektivin. Und Sie sind …«
    »Märthe Stürmer, ich bin hier die Sekretärin. Sie müssen wissen, dass wir seit der Sache mit der Kollegin Wanjeck reichlich nervös sind, wenn Fremde auf dem Schulgelände herumstehen.«
    Katinka wurde sofort hellhörig.
    »Warum? Waren hier öfter Fremde?«
    »Was wollen Sie hier?«
    »Ich suche einen Schüler. Hannes Niedorf.«
    »Ach du liebes Lieschen!« Märthe Stürmer sah sich um. »Kommen Sie mit rauf. Mir ist es zu heiß hier.«
    Katinka folgte ihr durch ein Treppenhaus aus Beton, das Kunstlehrer im Kampf gegen die Resignation mit ihren Klassen bunt bemalt hatten. Jede Wand stellte eine andere Jahreszeit dar. Der Fantasie sind tatsächlich Grenzen gesetzt, dachte Katinka.
    »Ich kenne Sie aus der Zeitung«, sagte Märthe Stürmer, schloss die Tür zum Sekretariat auf und zog mit einem Seufzer die Kostümjacke aus. »Palfy. Der Name ist in unserer Gegend nicht häufig. Wissen Sie, wenn man Tag für Tag in diesem Tempel vor sich hinwelkt, denkt man darüber nach, einen spannenderen Beruf zu ergreifen.«
    »Kann ich verstehen.«
    Märthe Stürmer lächelte, bat Katinka Platz auf einer Ledercouch an und setzte sich in einen Sessel gegenüber.
    »Womit kann ich helfen?«
    »Warum sprachen Sie eben davon, dass Fremde auf dem Schulgelände waren?«
    »Wir hatten einige üble Diebstähle in diesem Schuljahr. Vertrauliche Dokumente.« Märthe Stürmer fächelte sich mit der Hand Luft zu. »Was für eine Hitze.«
    »Hat man den Schuldigen ermittelt?«
    »Eben nicht.«
    »War es ein Schüler?«
    »Man hat einen Referendar aus dem Hut gezaubert und ihn rausgeschmissen. Schade um Jens Falk. Ein netter Kerl und bei den Schülern beliebt.«
    »War er denn wirklich der Aktendieb?«
    »Er hat sich die Akten bei mir geholt, um Atteste und ein paar Notizen hinzuzufügen. Dann brachte er sie ordnungsgemäß zurück. Ein paar Tage später sollte ich dieselben Unterlagen für den Chef raussuchen. Da fehlten die Blätter.« Märthe Stürmer beugte sich vor. Katinka sah deutlich die dunklen Flecken unter ihren Achseln. »Es kommt nicht gut, wenn die Lehrer ihnen anvertraute Schüler auf Klassenfahrten verlieren.«
    »Wie ist das denn genau zugegangen?«
    »Das weiß ich leider nicht.« Die Sekretärin lehnte sich zurück und legte die Finger auf die Lippen. »Ich habe schon zu viel gesagt. Hier gibt es mir zu viele Juristen unter den Schülereltern. Nehmen Sie nur den Valentin, Hannes’ Freund. Sein Vater ist Richter am Oberlandesgericht.«
    Klick, dachte Katinka. Das wird Ljubov
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