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Spin

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Titel: Spin
Autoren: authors_sort
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lieber ist, kannst du da sitzen bleiben, dir die Lunge ausräuchern und dummes Zeug erzählen.«
    »Klugscheißer.« Sie drückte die Zigarette ins Gras und streckte die Hand aus. Ich gab ihr das Fernglas.
    »Sei bloß vorsichtig damit.« Jason war völlig vernarrt in sein Fernglas. Es roch noch immer nach Zellophan und Styroporverpackung.
    Sie stellte die Schärfe ein und blickte nach oben. Eine Zeit lang blieb sie still. Dann sagte sie: »Weißt du, was ich sehe, wenn ich mit so einem Ding die Sterne ansehe?«
    »Was denn?«
    »Na, die Sterne, weiter nichts.«
    »Benutze deine Fantasie.« Jason klang ehrlich verärgert.
    »Wenn ich meine Fantasie benutzen kann, wozu brauche ich dann ein Fernglas?«
    »Ich meine, denke nach über das, was du siehst.«
    »Oh«, erwiderte sie. Dann: »Oh. Oh! Jason, ich sehe…«
    »Ja, was?«
    »Ich glaube… ja… es ist Gott! Und er hat einen langen weißen Bart. Und er hält ein Schild in der Hand. Und auf dem Schild steht… JASON IST EIN TROTTEL!«
    »Sehr witzig. Gib es zurück, wenn du nichts damit anzufangen weißt.«
    Er streckte die Hand aus, doch sie ignorierte ihn. Sie saß aufrecht da und richtete das Fernglas auf die Fenster des Großen Hauses.
    Die Party war seit dem späten Nachmittag im Gange. Meine Mutter hatte mir erzählt, Feste bei den Lawtons seien »teure Quatschrunden für hohe Tiere«, aber da sie einen feinen Sinn für Übertreibungen besaß, war man gut beraten, alles ein bisschen tiefer zu hängen. Die meisten Gäste, hatte Jason gesagt, waren Leute aus der Raumfahrtindustrie oder der Politik. Nicht die alteingesessene Washingtoner Gesellschaft, sondern gut betuchte Newcomer mit Westküstenwurzeln und Verbindungen zur Waffenindustrie. E. D. Lawton, Jasons und Dianes Vater, richtete derlei Veranstaltungen alle drei bis vier Monate aus.
    »Alles wie immer«, sagte Diane hinter dem Doppeloval des Fernglases. »Im Erdgeschoss wird getrunken und getanzt. Mehr getrunken als getanzt zur Zeit. Sieht allerdings so aus, als würde die Küche schließen. Ich glaube, die Cateringleute wollen nach Hause. Im Hobbyraum sind die Vorhänge zugezogen. E. D. ist in der Bibliothek, zusammen mit ein paar Anzugträgern. Igitt! Einer von ihnen raucht Zigarre.«
    »Dein Ekel wirkt nicht gerade überzeugend, Miss Marlboro.«
    Diane fuhr fort, die Fenster zu katalogisieren, während Jason an meine Seite rutschte. »Da zeigt man ihr das Universum«, flüsterte er, »und sie zieht es vor, eine Dinnerparty auszukundschaften.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Wie so vieles von dem, was Jason von sich gab, klang es witzig und klüger als alles, was ich zu sagen hatte.
    »Mein Zimmer«, sagte Diane gerade. »Leer, Gott sei Dank. Jasons Zimmer, auch leer, abgesehen von dem Penthouse unter der Matratze.«
    »Haha. Das ist ein gutes Fernglas, aber so gut auch wieder nicht.«
    »Carols und E. D.s Schlafzimmer, leer. Das Gästezimmer…«
    »Na, was?«
    Aber Diane erwiderte nichts. Sie saß ganz still, das Fernglas vor den Augen.
    »Diane?«, sagte ich.
    Sie schwieg weiter. Dann, nach einigen Sekunden, schüttelte sie sich, drehte sich um und warf – schleuderte fast – Jason das Fernglas zu, der sogleich protestierte, offenbar ohne zu begreifen, dass Diane etwas zutiefst Beunruhigendes gesehen hatte.
    Ich machte schon den Mund auf, um sie zu fragen, ob alles in Ordnung sei…
    Da verschwanden die Sterne.
     
    Es war keine große Sache.
    Viele sagen das, viele von denen, die es gesehen haben. Es war keine große Sache. Wirklich nicht, und ich spreche hier als Zeuge: Ich hatte, während Diane und Jason sich in den Haaren lagen, den Himmel beobachtet. Da war nichts als ein kurzes seltsames Gleißen, das sich, ein Nachbild der Sterne hinterlassend, grün phosphoreszierend meiner Netzhaut aufprägte. Ich blinzelte. Jason sagte: »Was war das? Ein Blitz?« Und Diane sagte überhaupt nichts.
    »Jason«, stieß ich hervor, noch immer blinzelnd.
    »Was? Diane, ich schwöre dir, falls du eine von den Linsen kaputt gemacht hast…«
    »Halt den Mund«, unterbrach ihn seine Schwester.
    Und ich sagte: »Hört auf. Seht doch. Was ist mit den Sternen passiert?«
    Beide wandten ihren Kopf zum Himmel.
     
    Von uns dreien war allein Diane bereit zu glauben, dass die Sterne tatsächlich »ausgegangen« seien – ausgelöscht wie Kerzen im Wind. Das sei unmöglich, erklärte Jason entschieden: das Licht dieser Sterne sei, je nach Quelle, fünfzig oder hundert oder hundert Millionen
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