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Spiel unter Freunden

Spiel unter Freunden

Titel: Spiel unter Freunden
Autoren: PJ Tracy
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wirklich niemals
lose in der Tasche ­ hat der Kurs mich klar
verstanden? Nun ja, Grace hatte ihn sehr wohl
verstanden, aber manchmal musste man sich auch mal auf ein kleines
Risiko einlassen, weil ansonsten aus Vorsicht Paranoia wurde und
schließlich das Leben beherrschen konnte. In ihrem Bademantel
auf ihrem eigenen Hinterhof sitzen zu können gehörte zu
den Dingen, die ihrer Ansicht nach ein gewisses Risiko wert waren.
Aber natürlich nicht ohne Waffe ­ so dämlich war sie
auch wieder nicht.
    «Es war sehr
nett hier mit dir, aber ich muss zur Arbeit.» Charlie jaulte
kurz und rutschte mit seinem Hintern auf dem Stuhl hin und her. Er
wirkte dabei wie ein alter Mann in einem Pelzmantel.
    «Bemüh dich
nicht. Ich finde allein hinaus.» Sie brauchte fünf
Minuten, um sich anzuziehen. Jeans, TShirt, ein schwarzer
Staubmantel aus Leinen, der allen Wetterunbilden trotzte, und
natürlich die englischen Reitstiefel.
    Wer erfahren hatte,
dass sie im ganzen Leben noch nie auf einem Pferd gesessen hatte,
hielt es für eine Modelaune. Nur fünf Menschen auf der
Welt wussten es besser.
    Vielleicht auch
sechs.
    Auf der Fahrt zur
Arbeit sah sie mehrere Streifenwagen am Rand des River Parkway
stehen. Ein toter Jogger am Flussufer, dachte sie
automatisch.
    Es war eines jener
außergewöhnlichen Jahre, in denen die Herbstfarben am
Mississippi einem beinahe den Atem raubten.
    Das Laub des Sumachs
flammte rot, der Ahorn glühte in überirdischen Tönen
von Rosa und Orange, und die zarten Blätter der Espen
schimmerten wie Goldlamé an einer Drag Queen.
    Detective Leo Magozzi
war noch bei der Fußstreife eingesetzt, als er die Farben das
letzte Mal so intensiv erlebt hatte. Obwohl er damals so sehr mit
sich selbst beschäftigt gewesen war, dass er sonst kaum etwas
von seiner Umwelt wahrnahm ­ eine der Ursachen des
Durcheinanders in seinem Leben. Trotzdem war ihm in jenem Herbst
das Farbenspiel des Laubs nicht entgangen.
    Aquarellfarben
können das nicht wiedergeben, dachte er, als er den West River
Boulevard entlangfuhr. Dafür brauchte man unbedingt
Ölfarben. Vor sich sah er die Blaulichter von mindestens acht
Streifenwagen und dem Einsatzwagen der Kriminaltechniker vom Bureau
of Criminal Apprehension. Bis jetzt noch kein
TV-Übertragungswagen, Gott sei Dank, aber er hätte seine
Pension verwettet, dass es nur noch Minuten dauern würde, bis
die Presse auftauchte.
    Ein junger Cop mit
Babyface regelte den Verkehr und hielt dabei auch ein wachsames
Auge auf ein Grüppchen Gaffer, das in der Morgenkälte
bibberte und hoffte, vielleicht doch noch einen Blick auf das
Unglück eines Mitmenschen erhaschen zu können. Magozzi
war überrascht, dass es nicht mehr waren ­ in Minneapolis
war Mord eigentlich immer eine Nachricht, die sich blitzschnell
herumsprach, aber in diesem Viertel war es wirklich ein
Riesenereignis.
    Er fuhr langsam an den
Randstein und zeigte Baby Cop seine Marke, der vergeblich
versuchte, seinen Namen richtig auszusprechen.
    «Guten Morgen,
Detective … Mago-zee?»
    «Mago-tsee. Mit
ts wie in Tsetsefliege.»
    «Oh. Wie in
was?»
    «Vergessen
Sie's. Ist Detective Rolseth schon da?»
    «Rolseth
… etwas kleiner, helle Haare?»
    «Hört sich
gut an.» Magozzi musste Baby Cop Diplomatiepunkte zubilligen,
weil er auf einige der deftigeren Ausdrücke verzichtet hatte,
die er zur Beschreibung seines Partners immer wieder hörte,
wie zum Beispiel «Wampe» und «Halbglatze».
Der junge Bursche war vielleicht nicht das allerhellste Licht, aber
zum Polizeichef reichte es möglicherweise doch
noch.
    Baby Cop zeigte mit
dem Finger auf eine Reihe riesiger und teurer alter Häuser,
die hinter ansteigenden manikürten Rasenflächen hoch
über der Straße thronten. «Er ist mit ein paar von
den Jungs auf Tür-zu-Tür-Vernehmung gegangen, bevor die
Leute zur Arbeit fahren müssen.» Magozzi nickte, stieg
dann über das gelbe Absperrband und stapfte durch das
herumliegende Laub. Dabei schob er seine Hände tiefer in die
Trenchcoattaschen, um sie vor der Kälte des Windes zu
schützen, der vom Fluss kam.
    Die Kriminaltechniker
vom BCA waren über einen Grasstreifen zwischen Boulevard und
Flussufer ausgeschwärmt, markierten die Umgebung des Tatorts
und schritten ein Raster aus Hilfslinien ab. Er grüßte
die wenigen von ihnen, die er kannte, im Vorübergehen mit
einem Kopfnicken und strebte dann auf den Uferrand zu, wo sich ein
hoch gewachsener, schlaksiger Mann in einem olivgrünen Mantel
über eine Leiche beugte. Obwohl er Magozzi
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