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Spiel unter Freunden

Spiel unter Freunden

Titel: Spiel unter Freunden
Autoren: PJ Tracy
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den Rücken
zukehrte, verriet das schwarze Haar die Identität des Mannes
ebenso unzweifelhaft wie die hängenden Schultern, die um
Entschuldigung für den extremen Körperwuchs zu betteln
schienen.
    «Anantanand
Rambachan.» Magozzi ließ sich den Namen des Mannes
immer wieder auf der Zunge zergehen. Es war, als vernaschte er
einen Windbeutel.
    Dr. Rambachan drehte
sich um und hieß Magozzi mit einem strahlenden Lächeln
am Tatort willkommen. «Detective! Ihr Hindi-Akzent klingt
heute Morgen ganz ausgezeichnet!» Seine dunklen Augen mit den
schweren Lidern funkelten schelmisch.  
    «Und was sehe
ich denn da? Sie sind ja so herausgeputzt! Sie sind bestimmt auf
der Pirsch.»
    «Äh?»
    «Sie haben
Gewicht verloren, der Tonus ihrer Muskeln ist ausgeprägter
… was nur bedeuten kann, dass sie endlich ihres einsamen
Lebens überdrüssig sind und jetzt die Gesellschaft des
schönen Geschlechts suchen.»
    «Nächsten
Monat stehen in unserer Abteilung die Fitness-Prüfungen
an.»
    «Daran
könnte es auch liegen.» Magozzi hockte sich hin, um
einen kurzen Blick auf die Leiche zu werfen. Das Opfer war jung,
nicht viel älter als zwanzig, trug Jogginghosen aus Nylon und
ein ausgewaschenes Sweatshirt. Sein regloses, wächsernes
Gesicht schien ausdruckslos, und die offenen Augen waren vom Tod
getrübt. «Sehen Sie hier?» Rambachan deutete auf
ein kleines dunkles Loch gleich über der linken Augenbraue.
  
     
    «Winziges
Loch.» Er formulierte das Offensichtliche. Das tat er immer.
«Sehr sauber. Entweder ausgezeichnete Treffsicherheit oder
großes Glück für unseren Schützen.
    Großes Pech
jedoch für unseren Freund hier.»
    «.22er?»
    «Oh ja.
Höchstwahrscheinlich.» Magozzi seufzte und blickte
über den Fluss. Das Sonnenlicht war durch den niedrigen
Wolkenschleier gebrochen und zauberte funkelnde Prismen in den
eisigen Dunst, der aus dem Wasser aufstieg. «Kalt heute
Morgen.»
    «Oh, oh! Ich
habe kürzlich aus einem Buch, das mir meine Frau geschenkt
hat, gelernt, dass die angemessene Erwiderung auf diese Aussage
‹Könnte schlimmer sein› lautet.» Magozzi
nahm den Klarsichtbeutel mit den Beweismitteln in die Hand und
inspizierte den Führerschein, den er enthielt.
    «Ach ja? Und was
für ein Buch ist das?» Rambachans Stirn legte sich in
Falten. «Ein Linguistik-Buch. Ich glaube, es trägt den
Titel Sprachwendungen und ihr Bezug
zum Alltag in Minnesota . Haben Sie schon mal davon
gehört?» Magozzi hätte fast gelächelt.
«Sonst noch persönliche
Gegenstände?»
    «Nur der
Führerschein und ein Zwanzig-Dollar-Schein.
    Aber da ist noch etwas
anderes, etwas höchst Eigenartiges. Ich habe so etwas noch nie
gesehen. Schauen Sie sich das mal an.» Rambachan schob seine
von einem Handschuh geschützten Finger zwischen die Lippen des
Leichnams und drückte die Kiefer auseinander.
    Magozzi blinzelte und
beugte sich vor. Dann roch er es. Er ging wieder in die Hocke
zurück. «Verdammte Scheiße.»

 
    Kapitel 4
    Zu ungefähr
derselben Zeit, als Detective Magozzi auf Tuchfühlung mit dem
toten Jogger ging, bog Grace MacBride mit ihrem großen
schwarzen Range Rover in die Washington Avenue und fuhr in Richtung
Industriegebiet.
    Schon von ihrem ersten
Tag an hatte Grace Minneapolis für eine zimperliche Stadt
gehalten, gleichsam eine Dame mit dem Drang nach Höherem, die
ihre Röcke schürzte, um sie nur nicht mit dem Matsch der
Prärie zu beschmutzen. Sie besaß natürlich auch
ihre dunklen Seiten ­ die Huren und Freier, die
Pornoläden, die Kids aus der Junior High School, die auf der
Suche nach etwas Heroin oder Ecstasy durch die Gegend cruisten
­ aber man musste schon wirklich suchen, um diese Seiten der
Stadt zu finden. Dass sie tatsächlich existierten, schockierte
die eingeschworen lutheranische Bevölkerung immer wieder aufs
Neue und forderte sie zu Reaktionen heraus.
    Es handelte sich um
eine der wenigen Städte im Land, dachte Grace, in denen die
Selbstgerechten noch immer überzeugt waren, dass man den
Abschaum durch einen Appell ans Schamgefühl der Erlösung
zuführen könne.
    Washington Avenue,
einst Heimstatt der Obdachlosen und Dealer, war schon lange wieder
durch Strafpredigten gefügig gemacht worden. Alte
Lagerhäuser trugen jetzt neue Fenster und mit Sandstrahl
gereinigte Fassaden zur Schau; schäbige Imbisse waren
aufgetakelt und in funkelnde Oasen der Nouvelle Cuisine verwandelt
worden. Und nur die bösen Menschen, die ganz bösen
Menschen ­ wie Grace MacBride-, rauchten auf der
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