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Spiel unter Freunden

Spiel unter Freunden

Titel: Spiel unter Freunden
Autoren: PJ Tracy
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Venen
durchzogene Haut, die nie die Sonne gesehen hatte, wurde nun
sichtbar. Ein vertikaler Schnitt klaffte in ihrer Brust und
ließ das Brustbein erkennen. Eine zweite Wunde verlief
horizontal und war so tief, dass die untere Hälfte ihrer
Brüste von innen nach außen gestülpt
war.
    Halloran konnte den
Blick nicht von der alten Frau lösen.
    Eine Angst, die er
noch nie verspürt hatte, kroch in ihm hoch.
    «Das da ist
keine Amateur-Autopsie», sagte er leise. «Das ist ein
Kreuz.»

 
    Kapitel 3
    Grace MacBride wohnte
im Merriam-Park-Viertel von St. Paul, in einem Block hoher,
schmaler Häuser, die sich noch an die Roaring Twenties
erinnern konnten. Ihr Hinterhof war sehr klein, und der massive
Holzzaun, der ihn umschloss, sehr hoch.
    Mitch sagte, man
käme sich vor wie in einem Schuhkarton ohne Deckel, aber Mitch
hatte eben ein Problem mit solchen kleinen, geschlossenen
Räumen, in denen Grace sich geborgen fühlte.
    Der Baum war der wahre
Grund, warum sie das Haus gekauft hatte. Nach den
Maßstäben von Mitch, der im Grünen wohnte, war es
kein besonders großartiger Baum, denn er hatte einen dicken,
gedrungenen Stamm und knorrige Äste, die zur Seite wuchsen
statt in die Höhe, gerade so als hätten sie die Last des
Himmels zu tragen. Aber, bei Gott, es war eine Magnolie, und die
waren selten in Minnesota. Ein wahrer Schatz.
    Mitch hatte nichts
Eiligeres zu tun gehabt, als auf das beengte Grundstück
hinzuweisen, die Feuerwache ganz in der Nähe, das
festgetrampelte Rechteck aus Sand, welches der Immobilienmakler als
Hinterhof bezeichnet hatte; aber es war ihm damals nur darum
gegangen, ihr den Hauskauf auszureden und sie stattdessen in die
Suburbs von Minneapolis zu locken, denn dort wohnten er und Diane
in einer Gegend, wo die ausgedehnten Rasenflächen so makellos
gestutzt waren, dass sie aussahen, als würden sie um Hilfe
schreien.
    «Hier hast du so
viel Platz», hatte er zu ihr gesagt, «so viel freie
Fläche, dass du die Leute sehen kannst, die dich in einer
Viertelstunden besuchen kommen.» Grace hatte nur
gelächelt und geantwortet: «Dies Haus hat aber eine
Magnolie.»
    «Aber nicht mehr
lange. Wenn es wirklich eine Magnolie ist, wird sie in einem Jahr
eingegangen sein.» Das war vor fünf Jahren gewesen, und
Grace hatte nicht ein einziges Mal geglaubt, dass der Baum eingehen
würde, wenngleich er Jahr für Jahr den Eindruck machte,
Selbstmord begehen zu wollen. In jedem Herbst warf er sich
kräuselnde Blätter in einem lärmenden Schauer ab,
als habe er einfach nicht die Kraft, noch länger an ihnen
festzuhalten. Aber in jedem Frühling schwollen die
Knospenbüschel an und platzten, und in einem seltsamen Anfall
von Optimismus winkten schon bald winzige grüne Finger einem
nun wieder blauen Himmel zu. Der Baum war ein
Überlebenskünstler, genau wie Grace.
      
    An diesem Morgen stand
er schlaff in der trockenen Herbstluft und drohte schon beim
nächsten Herzschlag alle Blätter abzuwerfen. Grace hatte
einen Schlauch an den Stamm geführt und wässerte den
Baum.
    Sie und Charlie
saßen auf den beiden schweren Holzsesseln gegenüber dem
Baum, lauschten auf das Rieseln des Wassers und sahen einfach zu,
wie der Morgen seinen Lauf nahm.
    Grace war wie eine
Mumie in einen langen Bademantel gehüllt, Charlie war
nackt.
    «Du musst
aufhören, immer an den Stamm zu pinkeln. Zu viel
Ammoniak.» Kaum noch wahrnehmbare Spuren eines
Südstaatenakzents gaben ihrer Stimme eine weiche Melodie, die
jedoch von den spröden, kalten Kadenzen des Nordens
verunstaltet wurde.
    Charlie wandte den
Kopf und beobachtete mit hingebungsvoller Aufmerksamkeit, wie Grace
aus ihrer Tasse trank.
    «Vergiss es. Er
ist nicht koffeinfrei.» Charlie seufzte tief und sah dann
weg. Er war eine heillose Promenadenmischung, zusammengebastelt von
einem blinden Dr. Frankenstein. Die Größe und Masse
eines Schäferhundes, das grobe Fell eines Drahthaarterriers,
die langen Schlappohren eines Jagdhundes und dazu der völlig
unbehaarte Stummel eines Schwanzes, den irgendwer abgebissen haben
musste, bevor sie Charlie kennen gelernt hatte. Charlie war auch
ein Überlebenskünstler.
    Grace bewegte sich auf
dem Stuhl, spürte, wie die Waffe in der übergroßen
Bademanteltasche verrutschte, und griff nach ihr, bevor sie gegen
den Holzstuhl schlagen konnte.
    Das Halfter ist
kein modisches Zubehör. Es ist eine Notwendigkeit, die der
Sicherheit dient. Tragen Sie daher Ihre Waffe stets in einem
Halfter, wenn Sie sie bei sich haben, und niemals,
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