Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel unter Freunden

Spiel unter Freunden

Titel: Spiel unter Freunden
Autoren: PJ Tracy
Vom Netzwerk:
Straße.
      
    Sie parkte vor einem
kleinen Lagerhaus, dessen altes Mauerwerk gewollt pinkfarben
schimmerte, stieg aus und blickte die Straße
hinunter.
    Annie kam gerade um
die Ecke und schickte ihr Lächeln voraus. Sie trug einen
hellroten Wollumhang, der beim Gehen nach links und rechts
umklappte. Grace fand, dass die Kapuze einen sehr hübschen
Kontrast zu ihrem hennafarbenen Haar bildete. Sie trug es in diesem
Jahr kurz, zu einem Bob wie in der Charleston-Zeit geschnitten, und
über unnatürlich grünen Augen fielen ihr akkurat
ausgerichtete Strähnen auf die Stirn.
    «Du siehst aus
wie das kleine Rotkäppchen.» Annie lachte. «Ich
bin aber das große Rotkäppchen, Sugar.» Ihr
Tonfall gemahnte an Mississippi, war süß wie
Zuckerrohrmelasse. «Du mögen?» Sie drehte sich in
einem engen Kreis, ein prächtiges scharlachrotes Nilpferd bei
einer Pirouette.
    «Ich mögen.
Wie war dein Wochenende?»
    «Du weißt
schon. Sex, Drogen, Rock 'n' Roll. Immer wieder dasselbe. Und wie
war's bei dir?» Grace schloss eine unscheinbare Tür auf,
die keine Aufschrift trug, sondern nur einen relativ frischen
Anstrich aufwies, den Annie verächtlich als
versandhausgrün bezeichnete. «Hab ein bisschen
gearbeitet.»
    «Hm.»
Annie ging durch die Tür in eine Garage zu ebener Erde, die
bis auf ein nagelneues Mountainbike und eine mit Schlamm bespritzte
Harley leer war. «Ein bisschen. Was verstehen wir darunter?
Zehn, zwölf Stunden am Tag?»
    «So
ungefähr.» Annie schnalzte mit der Zunge. «Du
musst mehr leben, Honey. Du gehst niemals aus. Das ist nicht
gesund.»
    «Liegt mir aber
nicht, Annie. Das weißt du doch.»
    «Ich hab da
einen sehr netten Typen kennen gelernt, mit dem ich dich
zusammenbringen könnte …»
    «Letztes Mal,
als du mich mit jemandem zusammengebracht hast, war es kein so
großer Erfolg.» Annie verdrehte die Augen.
«Grace. Du hast ihn mit deiner Knarre bedroht. Er redet noch
immer kein Wort mit mir.» Sie seufzte, während sie zum
Lastenaufzug an der Wand gegenüber gingen. Das Klicken ihrer
Absätze hallte in dem höhlenartigen Raum wider.
«Wir könnten doch heute Abend nach der Arbeit durch die
Clubs ziehen und zwei knackige Bauernjungs aufreißen. Dazu
müsstest du aber zuerst eine Tüte über deinen
hässlichen Kopf stülpen.» Mit einer
Schlüsselkarte setzte sie das kehlige Grollen eines
Räderwerks hoch über ihnen in Gang. Dann drehte sie sich
um und unterzog Grace der obligatorischen Morgeninspektion. Ihre
Miene war die einer genervten Mutter, die im Stillen das
rätselhafte Outfit ihres rebellischen Kindes
missbilligt.
    Für Annie
Belinsky war ein Tag ohne Pailletten kaum lebenswert und ein Tag
ohne Make-up völlig undenkbar. Den Teint des schwarzhaarigen
irischen Frauentyps zu haben und nichts damit anzufangen war
zweifellos eine Todsünde. Sie streckte die Hand aus und hob
eine Strähne der dicken schwarzen Locken von der Schulter
ihrer Freundin, ließ sie aber sofort angewidert
zurückfallen. «Es macht mich völlig fertig, dass
dies ausgerechnet auf deinem Kopf wächst. Wenn du mal stirbst,
werde ich dich skalpieren und mir aus dem Haar eine Perücke
machen lassen. An dir ist es eh die pure
Verschwendung.»
    «Hält mir
aber den Kopf warm.» Grace schmunzelte.
    «Das kommt mir
alles so vorsintflutlich vor. He, tu dir das hier mal rein.»
Sie hob die Seitenteile ihres Capes und enthüllte Reihen
limonengrüner Wildlederfransen, die von den Knöcheln bis
zum Hals reichten. Das erklärte auch ihre neuen Kontaktlinsen.
Annies Augenfarbe war stets auf ihre Garderobe abgestimmt.
«Die dicke Annie wird heute ein paar Herzen
brechen.»
    «Du brichst die
Herzen auch in Sackleinen.»
    «Stimmt.»
Sie seufzte und musterte die eingedellte Fahrstuhltür. Die
schiefe Schablonenzeichnung eines Affenkopfes grinste ihr
hämisch entgegen. «Scheiße, wieso hat Roadrunner
das hier bloß vermurkst? Er benutzt eine Reißschiene,
um seine Socken im Wäscheschrank auszurichten, kann aber nicht
mal so eine dämliche Schablonenzeichnung waagerecht
anbringen.» Grace betrachtete den Affen mit zur Seite
geneigtem Kopf.
    «Ich weiß
gar nicht, warum er nicht einfach am Laserdrucker einen Aufkleber
mit dem richtigen Logo gemacht hat. Das hier sieht doch
…»
    «…
bescheuert aus?»
    «Genau.
Bescheuert.»
    Harley sah mehr nach
einem Hell's Angel aus als jeder Hell's Angel, den Grace je zu
Gesicht bekommen hatte ­ riesengroß, massig,
tätowiert, bärtig und furchteinflößend. Er
wartete darauf, ihnen das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher