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Spiel mit dem Feuer

Spiel mit dem Feuer

Titel: Spiel mit dem Feuer
Autoren: Marcia Muller
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türkisfarbenes Meer. »Gab es gestern
Morgen auch so heftigen Wind?«
    »Es war absolut windstill.«
    »Das heißt, der Baum konnte nur
umfallen —«
    »Wenn ihn jemand dazu gebracht hat. Als
Peter der Sache nachging, fand er Anzeichen dafür, dass da an den Wurzeln
gegraben worden war.«
    »Aber gesehen haben Sie niemanden?«
    »Nein.«
    »Irgendwas gehört, außer dem Geräusch
des Baums?«
    »Nein.« Sie zögerte. »Meinen Sie, ich
habe überreagiert?«
    »In Anbetracht der anderen Vorfälle,
die Sie mir geschildert haben — nein.«
    »Gott sei Dank. Nachdem Sie
zurückgerufen hatten, um zu sagen, dass Sie und Hy kommen würden, hatte ich
erst mal Angst, dass ich womöglich einen Sturm im Wasserglas inszeniert hätte.
Aber dieser Film ist mir wichtig. Es geht um hiesige Legenden und Mythen,
erzählt aus der Sicht eines Missionarsnachfahren, der die Hawaiianer und ihr
kulturelles Erbe erforscht hat. Der Staat ist rassisch und politisch zerrissen;
die Hawaiianer meinen, dass sie den Kürzeren gezogen haben, und das stimmt
auch. Peter und ich hoffen, dass meine Interpretation des Werks seines Vaters
bei anderen Gruppen mehr Verständnis und Mitgefühl weckt.« Wenn sich Glennas
Dokumentarfilme auf einen gemeinsamen Nenner bringen ließen, dann lag er in der
Intention. Ihrer Überzeugung nach erwuchsen die vielen gesellschaftlichen
Missstände unserer Zeit aus der Unfähigkeit der Menschen, sich in die Gedanken
und Gefühle derer zu versetzen, die anders waren als sie selbst, und sie drehte
ihre Filme in der Hoffnung, die Zuschauer emotional so weit zu involvieren,
dass sie wenigstens für den Moment ihre Ängste und Vorurteile beiseite packten.
Ihre Filme waren ernst, aber unterhaltsam, und für ihre sechsundzwanzig Jahre
hatte sie bereits eine erstaunliche Zahl von Projekten realisiert. Begonnen
hatte ihre Karriere noch während ihres Studiums, mit einem Kurzfilm über
Vietnamflüchtlinge in Kalifornien, der mit einem Nachwuchs-Oscar in der
Kategorie Dokumentarfilm ausgezeichnet worden war. Ich kannte sie gut genug, um
zu wissen, welch stählerner Wille und Ehrgeiz in diesem hübschen, munteren
Persönchen steckten.
    Als könnte sie meine Gedanken lesen,
fuhr sie fort: »Natürlich ist der Film auch in kommerzieller Hinsicht wichtig
für mich, und mit Peter im Rücken brauche ich nicht zu knausern. Er hat mir ein
Budget von einer Dreiviertelmillion Dollar zur Verfügung gestellt und das
kostenlose Haus. Wenn es so läuft, wie ich mir das denke, kann ich den Film für
gutes Geld an einen der hiesigen Fernsehsender verkaufen.«
    »Tja«, sagte ich, »dann müssen wir nur
noch dafür sorgen, dass Ihre Arbeit nicht mehr behindert wird. Als wir vorhin
über die Sache mit dem Baum sprachen, haben Sie bei der Frage, ob Sie etwas
gehört oder gesehen haben, gezögert. Warum?«
    »Das werden Sie sicher überspannt
finden.«
    »Probieren Sie’s aus.«
    »Ich habe etwas gespürt. Eine Präsenz.«
    »Eine Präsenz.«
    »Ich kann es nicht anders ausdrücken.
Hätte ein Mensch sein können, aber auch etwas ganz anderes.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Sie werden’s verstehen. Wenn Sie erst
mal ein paar Tage hier sind.«
     
    Das Städtchen Waipuna, gut zehn Minuten
weiter, war eher ein Dorf: pastellfarbene, gutenteils auf Stelzen errichtete
Häuser an Feldwegen, die sich in Richtung Palis oder Meer schlängelten;
Pizzeria und Deli; Mini-Shopping-Center; Videoverleih, T-Shirts, Surf-Shop,
Naturkostladen, Chiropraktiker. Die kleine Kirche im Missionsstil war
verwittert und in schlechtem Zustand, nicht reiseführerwürdig. Die übrigen,
zumeist einstöckigen Gebäude, hatten Bretter- oder Schindelwände und
Wellblechdächer. Überall wuchsen Bananenbäume, Kokospalmen und Blumen in den
erstaunlichsten Farben. Blüten ergossen sich über Geländer und Gitterwerk und
verströmten einen betörenden Duft.
    »Waipuna heißt ›Quellwasser‹«, erklärte
uns Glenna, während sie den Wagen in eine schmale Parkbox vor dem kleinen
Supermarkt aus Bruchstein manövrierte. »Hier waren mal überall Tarofelder, die
die Ureinwohner angelegt hatten. Was Sie da riechen, ist vor allem Ingwer, der
rings um die Quellen wild wächst.« Sie deutete auf das, was ich für einen
Drainagegraben neben der Straße gehalten hatte: Dort wucherten weiß und rot
blühende Pflanzen.
    Hy stieg aus und nahm meine Hand, um
mich aus dem Fond zu ziehen. Ich trat auf den heißen Parkplatz hinaus, froh,
mich endlich strecken zu können. Die Schaufenster des
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