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Spiel Der Sehnsucht

Spiel Der Sehnsucht

Titel: Spiel Der Sehnsucht
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fühlte sich plötzlich schuldig. Er würde es wieder gutmachen, nahm er sich fest vor. Alles, was Derek brauchte, war ein bißchen Zuwendung. Ivan nahm sich vor, Derek so zu behandeln, wie er selbst als Junge gern behandelt worden wäre. Jetzt mußte er sich aber zuerst einmal mit seiner Großmutter abgeben.
    Er wandte sich ihr mit unbewegtem Gesicht zu, das nichts von seinen Emotionen preisgab. »Ich warte. Was haben Sie mir zu sagen?«
    Ivan sah, wie sie nervös schluckte und mit ihren knochigen Fingern den Knauf ihres Stockes noch fester umklammerte. Wollte sie ihn anbetteln, hierbleiben zu dürfen, nach allem, was sie getan hatte, um sein und nun auch Lucys Leben zu ruinieren? Er wollte schon abweh-rend die Hand heben, als er ihre Worte vernahm, die er nicht erwartet hatte.
    »Es tut mir leid.«
    Seine Hände wollten sich zu Fäusten ballen, doch er zwang sich, ruhig zu bleiben. »Es tut Ihnen leid? Denken Sie, diese Worte würden mein Kind zurückbringen?«
    Lady Antonia zuckte zusammen, als habe Ivan sie geschlagen. Ihre Füße wankten. Hätte sie nicht so fest ihren Stock umklammert, wäre sie umgefallen. Doch sie fiel nicht. Statt dessen sprach sie weiter: »Es tut mir leid, wie ich dich in all den vergangenen Jahren behandelt habe und wie ich dich in jener Schule alleingelassen ha-be.«
    Ivan erstarrte, er traute seinen Ohren nicht. Sie entschuldigte sich jetzt? Das war zu wenig, und es kam zu spät. Viel zu spät.
    »Entschuldigung angenommen. War das alles?«
    Lady Antonia setzte sich. Ihr von Alter und Krankheit gezeichnetes Gesicht war bekümmert. »Du hast jedes Recht, mich zu hassen.«
    »Ich hasse Sie nicht«, antwortete Ivan, und es schien fast zu stimmen. Er hatte nicht mehr genug Gefühle übrig, um sie noch zu hassen. »Sie sind mir von Herzen gleichgültig.«
    »Aber Lucy ist dir nicht gleichgültig.«
    »Lassen Sie Lucy aus dem Spiel! Wenn Sie sie in Ruhe gelassen hätten, wäre das alles nicht passiert. Sie hätte ihr Kind nicht verloren.«
    »Wenn ich sie in Ruhe gelassen hätte, hättet ihr euch nie kennengelernt.«
    »Das hätte sie zweifellos auch vorgezogen«, murmelte Ivan mehr zu sich selbst.
    Doch obwohl Lady Antonia an vielen Altersgebrechen litt, war ihr Gehör immer noch ausgezeichnet. »Hat Lucy das gesagt? Hat sie das?« wiederholte sie, als Ivan nicht sofort antwortete.
    Ivan wollte nicht zugeben, daß Lucy ihn wieder einmal zurückgewiesen hatte. Daß sie ihn aus seinen Pflichten als Ehemann entlassen hatte. Daß sie sich lieber in die Langeweile des Haushalts ihres Bruders zurückziehen würde, als bei ihrem Ehemann zu bleiben. Keinesfalls wollte er das vor dieser Frau eingestehen, die sich nie einen Deut um sein Glück geschert hatte, sondern immer nur verlangt hatte, daß er seine Pflicht erfülle.
    Doch sie hatte ihn an der Stelle getroffen, wo er am empfindlichsten war: bei seinen Gefühlen für Lucy.
    Ivan überlegte. Sie würde es sowieso früh genug erfahren. Lucy würde es ihr sagen.
    Er zwang sich zu äußerer Ruhe und sah sie an. Innerlich jedoch bebte er.
    »Lucy möchte sich von mir trennen. Sie will bei ihrer Familie leben.«
    Er wartete auf die harsche Antwort seiner Großmutter, auf ihre zornige Zurechtweisung. Statt dessen ließ sie den Kopf hängen, zog ein zerknülltes Taschentuch aus ihrem Ärmel und tupfte sich die Augen.
    Ivans herausfordernder Blick wurde verwirrt. Die selbstherrliche Gräfinwitwe von Westcott in Tränen?
    Antonia hob den Kopf, und ihre nassen Augen bestä-
    tigten Ivans Vermutung. Und wenn schon diese Tränen ihn überraschten, so warfen ihre nächsten Worte ihn fast, um
    »Laß sie nicht entschlüpfen, Ivan, ich bitte dich! Wirf nicht aus Stolz deine einzige Chance auf Glück weg.
    Wenn du das tust, wirst du es jeden Tag deines Lebens bereuen.«
    »Es ist nicht mein Stolz«, würgte Ivan hervor. »Sie will mich nicht als Ehemann. Sie hat mich nie gewollt.«
    Antonia stand mühsam auf. »Sie hat dich gewollt, seit sie dich zum ersten Mal sah«, sagte sie.
    Ivan lachte freudlos. »Ja. Deine Ränke haben es zuwege gebracht, daß wir aufeinander stießen. Das war alles, was wir getan haben. Aufeinander stoßen.« Er stieß einen müden Seufzer aus. »Es steckt nicht mehr dahinter als die körperliche Anziehungskraft, die du so genau vorausgesehen hast.«
    »Willst du sagen, daß sie dich nicht liebt?«
    Ivan erinnerte sich an das eine Mal, als Lucy gesagt hatte, sie liebe ihn. War das die Wahrheit? Er würde es nie erfahren. »Einmal dachte
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