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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition)
Autoren: Michael Peinkofer
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er nur da und wartete, ohne dass er zu sagen vermocht hätte, worauf.
    Dann geschah es.
    Die Flamme in der Laterne, die auf rätselhafte Weise Nahrung fand, wechselte die Farbe. Ihr eben noch so warmer Schein verblasste und wurde fahl, nahm eine grünliche Färbung an. Dieses grüne Leuchten steigerte sich, bis es schließlich den ganzen Raum ausfüllte – und in diesem Moment bemerkte es der Alchemist.
    Etwas war anders.
    Zunächst war es nur ein seltsames Ziehen, das er empfand und von dem er noch nicht einmal wusste, ob es wirklich da war. Es war mehr ein Gefühl, die plötzliche Überzeugung, diesen Ort verlassen zu müssen, weil er andernorts dringend gebraucht wurde. Und dieser Ort war, so stellte er mit einiger Bestürzung fest – die Laterne!
    Auf einmal hatte er das Gefühl, von ihrem Schein unwiderstehlich angezogen zu werden, wie eine Motte vom Licht. Er sann noch darüber nach, was das wohl zu bedeuten hätte, als unvermittelt der Sturm einsetzte.
    Als der erste Windstoß kam, fuhr der Alchemist herum, um zu sehen, ob die Tür offen wäre, aber sie war noch immer fest verschlossen und der Riegel lag davor. Woher also rührte der Wind, der sein weites Gewand bauschte und die Laterne flackern ließ? Der über die Regale fuhr und den Jahrzehnte alten Staub fortblies, der Pergamentseiten und kleine Gegenstände mitriss und sie wie welkes Laub über den Boden trieb? Bestürzt erkannte der Alchemist, dass die Laterne der Mittelpunkt des kleinen Orkans war, der sich in dem unterirdischen Gewölbe zusammenzubrauen schien und sich immer noch schneller drehte, ein unheilvoller Strudel.
    Der Alchemist streckte die dünnen altersschwachen Arme aus, um sich am Tisch festzuhalten, aber die Kräfte, die die Laterne entfesselt hatte, zogen immer heftiger an ihm, je mehr er sich dagegenstemmte – und plötzlich begann sich sein Körper aufzulösen!
    Mit einem entsetzten Aufschrei beobachtete der Alchemist, wie sich das Schwarz seines weiten Gewandes verflüchtigte und in den grün leuchtenden Strudel mischte wie flüssige Farbe, um schließlich von der Laterne aufgesogen zu werden – und im nächsten Augenblick wurde auch der Alte selbst von der Kraft des Strudels erfasst und hinfortgerissen, dem grünen Leuchten entgegen, das aus der Laterne drang – und in dem er in diesem Moment eine verschwommene Gestalt zu erkennen glaubte. Vergeblich versuchte der Alchemist, sich zu wehren. Er wedelte wild mit den Armen, schrie in heller Panik, verwünschte sich für seine Neugier und seine törichte Beschäftigung mit Dingen, die er noch nicht einmal ansatzweise verstand.
    Aber es nützte nichts.
    Er wurde fortgerissen und verschwand im gleißenden Schein der Laterne. Niemand hörte seine Schreie – und selbst wenn, hätte ihm niemand helfen können, denn aus eifersüchtiger Furcht vor Entdeckung hatte er die Tür zu seinem Laboratorium ja sorgfältig verriegelt.
    Und so verstrich diese kalte Novembernacht des Jahres 1587 , ohne dass irgendjemand in der Stadt Florenz erfuhr, was in jenen finsteren Gewölben vor sich ging.

1
    DER KÖNIG DER NACHT
    Dreihundert Jahre später
    »Willkommen im Caligorium!
    Wer auch immer Sie sind, was auch immer Sie tun – das Caligorium wird Sie überraschen! Ehrenwerte Gentlemen und hochgeschätzte Damen, das Caligorium ist einzigartig! Sehen Sie Dinge, die Sie nie für möglich gehalten hätten, einzigartige Attraktionen, aufsehenerregende Darbietungen der vortrefflichsten Art, wie kein anderes Theater sie bieten kann! Das Caligorium nimmt Sie mit auf eine Reise in längst vergangene Zeiten. Es lässt die Schatten der Vergangenheit wieder lebendig werden und führt Sie an Orte, von denen Sie nicht zu träumen wagten!
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