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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut
Autoren: Uta Maier
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Licht in dem trüben Wasser begann zu glänzen.
    »Draca kommt. Ich kann es hören …«
    Oh mein Gott, nein …
    »Du musst fliehen, ich halte ihn auf!«
    »Und Remo …«, protestierte ich schwach.
    »Er lebt!« Ganz langsam ließ er mich los. » Lauf! « Er klang erschöpft. »Draca ist gleich hier.«
    Ich blieb stehen. »Draca wird dich töten.«
    Noch einmal packte er mich, drückte mich bäuchlings an den Stamm, den Ellbogen über meinem Nacken. Sein Kopf sank dagegen. Silbersternenduft legte sich wie eine schützende Hand über mich. Ich fühlte mich plötzlich sicher. Ich konnte ihn nicht alleine lassen.
    »Ich halte ihn auf!«, flüsterte er eindringlich, als müsste er mich davon überzeugen, und trat einen Meter zurück. »Ich … lieber dein Leben retten als meine Seele … ich habe es vor langer Zeit versprochen. Bitte! « Und ich lief. Weil er es wollte. Nur deswegen.
    Wo waren Remo und Pontus? Ich musste zu ihnen. Gehetzt blickte ich mich um, in dem Augenblick ließ sich Draca von dem Baum vor mir fallen. Etwas sprang über mich, riss ihn um. Jetzt war es vorbei!
    Damontez war allein und Draca viel stärker. Bevor ich blinzeln konnte, waren sie wieder auf den Beinen, umkreisten einander, langsam, sich gegenseitig einschätzend, vollkommen verwandelt, Bestien. Und doch …
    »Lass ihn am Leben!« Kopflos warf ich mich dazwischen.
    Draca legte den Kopf schräg und lächelte amüsiert. »Eine Spiegelseele mit Königsblut in den Adern: wenn mir das nicht ein Geschenk des Himmels ist!« Er schlug die Diamantspitze drohend in die flache Hand, seine Züge wurden erbarmungslos. »Tritt beiseite, mein Engel, damit ich ihn töten kann!«
    Damontez schien so desorientiert von seinem eigenen Kampf, er war überhaupt nicht bereit. Er brauchte Zeit.
    »Geh beiseite!«
    »Niemals!« Ich breitete die Arme vor Damontez aus, kam mir sekundenlang furchtbar heroisch vor, der Gedanke, so zu sterben, machte mich fast euphorisch.
    Doch Draca ließ sich davon nicht beeindrucken. Mit einem kurzen Hieb seiner Pranke schleuderte er mich beinah elegant zehn Meter weiter.
    »Draca, nein, bitte nicht …« Noch bevor ich aufsehen konnte, flirrte ein Licht durch die Dämmerung, 300-Karat-Diamanten drangen in Damontez’ Brust.
    » Nein !« Ich fuhr hoch, taumelte nach vorne, blind von Tränen, das Herz voller dunkler Verzweiflung. »Nein! Bitte …« Wie erstarrt blieb ich stehen, wartete bis ins Mark erschüttert darauf, dass dort, wo Damontez stand, Asche zu Boden rieselte.
    Es passierte nichts. Als ich blinzelte, sah ich, dass Draca sein Herz um wenige Zentimeter verfehlt hatte. Die Spitze war mitsamt dem Stahlstab durch Damontez’ Brust in den Baumstamm gedrungen, nagelte ihn daran fest, unfähig zur kleinsten Bewegung.
    »Damontez!«, flüsterte ich entsetzt, auf ihn zu wankend. Er sah mich an, ebenso erschreckt wie ich selbst. Der Schmerz schattierte sein Gesicht in Blaugrau, klärte seine Augen, das Weiß wurde wieder sichtbar. Ohne nachzudenken, zerrte ich an dem Speer.
    »Nein … nicht …«, keuchte er auf. »Das ist zu schwer für dich …« Er schüttelte geschwächt den Kopf, sein Körper sackte ein Stück nach unten und riss dabei die Wunde tiefer. Licht und Feuer flammten aus der Verletzung und verkohlten seine helle Haut rußschwarz.
    Draca trat neben mich. »Wir lassen ihn zurück. Die Sonne wird ihn töten, wenn die Wolken weiterziehen …« Bei den grausamen Worten ging ich fast in die Knie. »Du hast Glück, dass mein Durst für heute gestillt ist. Komm!« Er deutete hinter sich. Der Sieg machte seine Stimme milder. »Die Regeln kennst du ja.«
    Ich blieb stehen. Gegenüber Draca war ich ohnmächtig. Mutlos blickte ich zurück. Mit viel Körperkraft konnte man den Stab herausziehen. Aber die hatte ich nicht.
    Du kennst doch sein Lied … du hast es gehört! Wie ging es? Ein bisschen Kraft ist ihm sicher noch geblieben …
    Draca lief bereits los. Ihm kam gar nicht der Gedanke, ich könnte mich widersetzen. Ich konzentrierte mich, zupfte an dem Transparent und noch einmal spannte Hadurah ihre Flügel für mich auf. »Damontez«, flüsterte ich. »Jetzt musst du mich ansehen!«
    Sein Kopf hing entkräftet nach unten, das schwarze Haar lag in nassen Strähnen über seinem Gesicht. Überall glänzte Blut, sogar auf seinen Wangen. »Sieh mich an!«
    Er versuchte es. Die Muskeln in seinem Hals traten hervor, er biss die Zähne zusammen, nur ganz langsam hob sich sein Kopf. Seine Lider flatterten mehrmals, doch dann
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