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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut
Autoren: Uta Maier
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»Mein Blut ist Macht, Coco Lavie. Das Königsblut wird dich für immer an mich binden.« Ganz sanft strich er mir über die Lippenbögen, als säuberte er sie. »Aber sei unbesorgt, ich verpflichte dich zu nichts. Noch nicht.« Damit verschwand er.
    Als ich mich auf die Seite rollte, um ihm nachzusehen, stieg bereits der Nebel um ihn herum auf. Ich sah nur noch das weißblonde Haar mit den goldenen Strähnen, das zu einem langen Zopf zusammengebunden war, und seine strahlend weiße Kleidung.
    »Remo?«, flüsterte ich erschrocken in die Nacht. Das musste ich geträumt haben. Das konnte nicht real gewesen sein.
    »Ich muss meinem Seelenbruder helfen.« Die Worte hingen im Nirgendwo. Ich versuchte aufzustehen, aber mir fehlte die Kraft. Also krabbelte ich auf allen vieren in die Richtung des Nebels, in dem Remo verschwunden war.

31. Kapitel
    »Die Freude ist ein Moment, unverpflichtet,
von vornherein zeitlos, nicht zu halten,
aber auch nicht eigentlich wieder zu verlieren.«
    RAINER MARIA RILKE
    Ich kam auf die Beine, blinzelte, Momentaufnahmen des Kampfes blitzten stakkatohaft vor mir auf, jagten Adrenalin durch meine Adern: Draca haarscharf über Damontez, die Diamantsonne von Remos Raumkrümmer einen Millimeter an seinem Ohrläppchen vorbei gestochen. Draca, der Pontus’ Wirbelsäule regelrecht auswrang und das Knacken von Knochen wie Dauerfeuer. Remo, der Draca mit einem Hechtsprung zu Boden warf und dabei auf Damontez stürzte. Ich dazwischen, weil meine Sorge, einer von ihnen könnte tödlich verletzt werden, mich in ihre Richtung trieb. Damontez, der mich um die Taille packte und mich wieder in Sicherheit brachte.
    »Bring sie fort!«, schrie Pontus ihm zu, ganz kurz hielt er inne. Sein langes Haar wehte wirr in sein Gesicht, mehr Dämon als Engel war er jetzt. »Egal, was passiert, du musst sie aus seiner Reichweite schaffen!«
    Die Nacht flog an mir vorbei. Ich hing mit dem Kopf nach unten über Damontez’ Rücken. Er rannte so schnell, dass die Heide zu einer glatten Fläche verschwamm. Nach wenigen Minuten erreichten wir den Wald. Bäume und Sträucher öffneten und schlossen sich in einem unermüdlichen Wechselspiel, Stunde um Stunde. Damontez wurde erst langsamer, als ich die grauen Ausläufer der Dämmerung über mir entdeckte. Was es bedeutete, wusste ich selbst. Das Morgenrot ließ sich nicht aufhalten!
    »Und was ist mit der Sonne?«, rief ich aus, als er mich absetzte. »Der Tag wird dich töten!«
    Er sank bereits auf Hände und Füße, das Gesicht schmerzverzerrt.
    »Überall Wolken«, keuchte er. »Manchmal braucht man ein bisschen Glück.« Er schien unendlich erschöpft.
    Ich kauerte mich neben ihn, sah mich ängstlich um. Was wenn Draca Remo tötete und Damontez seelenlos wurde? Wenn Draca Pontus tötete? Was passierte dann mit Hadurahs geteilter Seelenhälfte in ihm? Mir war noch gar keine Zeit geblieben, darüber nachzudenken, was Pontus und ich waren.
    Damontez’ Rücken wölbte sich in die Höhe. Er vertrug keinerlei Stoff auf den brennenden Narben. Wie in Trance zerrte ich an seinem aufgeschlitzten Hemd, atmete erleichtert aus, als das Material sofort nachgab.
    Damontez stöhnte leise auf, sank nach unten, fast bis zum Boden. Seine Augen waren vollkommen trüb, ohne Glanz. Noch nie hatte ich sie so gesehen. Ich konzentrierte mich auf mein Transparent, um ihm zu helfen, ballte die Fäuste, als es sich weigerte und nur mit sehr viel Mühe zu einem Spiegel wurde. Bitte, bitte, bitte …
    Nichts. Das Transparent blieb leer. Dafür hob Damontez ruckartig den Kopf, hielt mitten in seiner Geißel inne.
    Intuitiv stand ich ganz langsam auf, als ahnte ich die Gefahr. »Damontez?« Meine Stimme – nur ein Flüstern.
    Er fuhr hoch und lächelte. Wie oft hatte ich mir das in den letzten Wochen gewünscht. Doch sein Gesichtsausdruck war böse, fast erbarmungslos grausam.
    »Was ist denn?« Ich nahm die Hände nach vorne, als wären sie ein Schutzschild.
    »Der Schmerz ist weg.« Er lachte auf, wollte sich über das Gesicht fahren, unterbrach die Geste aber, als er sich mir näherte, die Züge so hart und unmenschlich wie noch nie.
    »Das kann nicht sein, etwas stimmt nicht.« Ich streifte ein paar Äste mit den Ellbogen, knickte um, als ich in eine kleine Mulde trat, und fluchte auf. Die Seelenlosen spüren keine Schmerzen während des Lichtwechsels …
    »Ich fühle mich gut. Warst du das, kleine Hexe?« Er streckte sich gemächlich, als wäre er eben erst erwacht. »Keine Zerrissenheit. Kein
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