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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut
Autoren: Uta Maier
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Seelenschmerz!« Niemals zuvor hatte ich seine Augen so leer und zugleich doch so voller Hunger gesehen. Ich presste mich an den Baum, der mir den Weg versperrte. Der Ausdruck in seinem Gesicht … gottlos … Nefarius … Nefarius ?
    »Remo ist tot«, wisperte ich, wusste aber nicht, ob das wirklich der Grund für sein Verhalten war. Er kam langsam und fasziniert auf mich zu, als wüsste er noch nicht ganz genau, was er mit mir anstellen sollte. Wie ein Spielzeug, dessen volle Funktion er noch nicht kannte. In mir schrien die Engelsinne mit warnenden Farben und dem bitteren Geschmack von Kupfer.
    »Wenn dem so ist, kann ich nicht klagen.« Er kniff die Augen zusammen, musterte mich mit tödlicher Ruhe. »Und du, Spiegelblut? Seit wann ist der Duft deines Blutes so süß …« Seine linke Wange zuckte. »Seit wann trägst du die Siegelringe in den Augen wie Koronen?«
    »Der Test«, antwortete ich hilflos. Ich schob mich um den Baum herum, löste mich, glitt immer weiter zurück. Er folgte mir, sah mich an, als würde er mich nicht kennen. »Ich … ich w-weiß, wer der Erste Gefallene ist.«
    »Tatsächlich?« Gelangweilt. Hatte er es überhaupt begriffen? Sein Blick ließ mich nicht los.
    »Damontez … es ist Faylin!«
    Erneut stieß ich gegen einen Stamm. Diesmal war er schon zu nah, stützte die Hände rechts und links von mir an dem Baum ab, lehnte sich nach vorne. Ich duckte mich, wollte unter seinem Arm hindurch schlüpfen, aber er ging leicht in die Knie, fing die Bewegung ab. Er atmete mir bewusst ins Gesicht, lächelte wieder. Ich wimmerte seinen Namen und tauchte in einen finsteren See aus Angst.
    »Spiegelblut. Spiegelseele. Engelskind. So viele Titel für eine einzige, verdammte, heilige Sünde …« In seiner Stimme lag der Tod, das Weiße in seinen Augen wurde komplett schwarz. Ich hörte ein Schluchzen, von dem ich betete, dass es nicht meines gewesen war, es klang viel zu hoffnungslos. Vielleicht würde er durch den Seelenverlust der böseste Nefarius von allen werden, ein Monster …
    »Da ist nichts mehr, das mich hält«, flüsterte er in mein Ohr, verlockt, aber auch gequält. »Wie ein Damm, der bricht, und das Blut, das mich flutet … es ist so mächtig, viel zu stark …«
    »Nein …« Nicht er, bitte nicht er! Das durfte nicht sein. Er hatte so lange auf mich aufgepasst. Er hatte so hart dafür gekämpft. Dann lieber Draca oder Remo.
    Er umschloss mich mit den Armen, drückte mich an seine Brust. Sein ganzer Körper zitterte fast so sehr wie meiner. Trotz der Kälte war ich schweißnass, fror und fieberte zugleich. Ich bekam die Arme nicht frei, um ihn wegzustoßen, spürte seine Atemzüge tiefer werden. Wie ein Echo bildete sich in mir alles ab, was er empfand, aber diesmal waren die Farben schwarz und kalt, der scharfe Geruch brannte im Rachen schmerzhaft wie Feuer. Irgendwo in ihm explodierte ein furchterregendes Feuerwerk aus qualvollen Gedanken. Die Silbersterne fielen wie Ascheflocken zu Boden und verschwanden im Nichts. Wie eine Seele, die sich auflöste.
    »D-Damontez … bitte …«
    Ein schreckliches Grollen drang aus seiner Kehle – und dann ein furchtvolles, verzweifeltes Flüstern, das alles veränderte: »Coco …«
    Oh Gott, er kämpfte noch! Er stöhnte auf, sah von oben auf mich herab, ertränkte mich in seinem Blick.
    »Damontez …« Schon wieder Tränen, diesmal die bittersten. Ich hatte solche Angst vor diesen schwarzen Höhlenaugen … Nicht er, bitte nicht er! Jeder andere, aber nicht er!
    Er knurrte rau, der Ton vibrierte in meiner Brust, schnürte mir beinahe die Luft ab. Ohne mich ganz loszulassen, wanderte eine Hand in meinen Nacken, verharrte dort, als wüsste er nicht, ob er mich packen oder liebkosen sollte. »Wenn ich jetzt dein Blut trinke, werde ich nicht aufhören …« Die Worte kamen stockend, fast bebend – und flüsternd. »Kein Nachtschatten mehr, sondern alles darüber hinaus. Es ist nicht mehr so wie damals … erinnerst du dich noch?«
    Alles in mir erzitterte, als er mich am Genick hochzog, so hoch, dass meine Füße den Boden verloren. Meine Finger suchten kraftlos nach Halt, aber ich fand keinen.
    »Erinnerst du dich?«, wiederholte er im Flüsterton, so sanft, als müsste der Gedanke daran in mir die gleichen Gefühle auslösen wie in ihm.
    »Ja«, wollte ich sagen, aber das Wort verlor sich in meiner Angst.
    »Dein Blut nicht zu trinken … es brennt schrecklicher als das schwarze Licht in den Narben.« Seine Hand bog meinen Kopf zurück,
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