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Spekulation in Bonn

Titel: Spekulation in Bonn
Autoren: Georg R. Kristan
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    Das Rhein-Center galt als gute Adresse für Unternehmen, die in Bonn einen Namen haben wollten. Aus der dreizehnten Etage des Geschäftshochhauses hatte man einen Blick weit über die Stadt. Angeknüpft an die Adenauerallee, doch eingeengt zwischen den Schienensträngen der Bundesbahn und dem Bett des Rheins, lag im Norden das alte Bonn mit der Brücke nach Beuel. In östlicher Richtung, von oben herab, sahen die Repräsentanten der Wirtschaft auf das zu ihren Füßen liegende Regierungsviertel mit Parlament und Kanzleramt, mit den Vertretungen der Bundesländer und der Vielfalt der Villen von Verbänden und Lobbyisten.
    Wohltuend abgesetzt durch viel Grün blieb das Haus des Bundespräsidenten, die Villa Hammerschmidt, den Niederungen des politischen Alltags entrückt.
    Wann immer das Auge des Beobachters an den Stockwerken des Abgeordnetenhochhauses »Der lange Eugen« hinaufwanderte, drängte sich der Eindruck auf, daß ein kurzer Eugen die Silhouette des Siebengebirges weniger angekratzt hätte.
    Weiter nach Süden hin ließen das klotzige Polizeipräsidium und der weitläufige Rheinauenpark beim Betrachter sehr unterschiedliche Gefühle aufkommen. Der Stadtbezirk Bad Godesberg vermittelte den Eindruck menschlich-bürgerlicher Dimensionen. Im Westen dann steil aufsteigend die Hänge des Venusberges mit den teuren Wohngebieten und dem weiten Areal der Universitätskliniken.
    Arno von Sendenstein, Diplomingenieur und Chef der Koordinata-Bonn, schritt von Fenster zu Fenster des Stirnzimmers der Geschäftsetage und erläuterte seinem Gast das Panorama. Sein langjähriger Mitarbeiter Kai Fischbach zeigte sich durch das immer wiederkehrende Zeremoniell nicht beeindruckt, doch der Dritte in dem noch zu schließenden Bunde konnte seine Überraschung nicht verhehlen. Johann Wanitzky strich mit beiden Händen über die Revers seines etwas zu modisch geschnittenen blauen Anzugs: »Großartig!« sagte er. »Wirklich großartig; wir sitzen ja mitten drin – wie die Spinne im Netz.«
    Arno von Sendenstein lächelte, nickte zustimmend und bat die beiden Herren in sein Büro.
    Die Sitzgruppe aus feinstem handverarbeiteten Leder ließ die Stilisten von deSede erkennen. Die Wirkung von drei sorgfältig gruppierten Grafiken wurde durch die schlichte Basttapete betont. Auch die Dimensionen des mattschwarzen Schreibtisches waren der Größe des Raums angepaßt. Zwei recht umfangreiche Aktenstücke und ein zur Hälfte gefüllter Eingangskorb deuteten an, daß hier auch gearbeitet wurde.
    »Ich werde Frau Nikols bitten, uns einen Kaffee und ein paar Sandwiches zu servieren«, sagte Kai Fischbach. »Oder nehmen Sie lieber Tee, Herr Wanitzky?«
    »Kaffee wäre mir schon recht, schwarz bitte«, bestätigte dies und öffnete den mittleren Knopf seines Jacketts. »Immer wieder diese Gewichtsprobleme. Jeder Abendempfang kostet mich eine Stunde Sauna und Massage.«
    »Mir geht es ähnlich, ab vierzig setzt man an«, seufzte Kai Fischbach, der gut einen halben Kopf kleiner war als die beiden anderen Herren.
    Demgegenüber vermittelte Arno von Sendenstein den Eindruck sportlicher Schlankheit. Ein schmales Gesicht, graublaue Augen und straff gescheiteltes Haar unterstrichen den Habitus von Disziplin. »Mäßigung beim Essen und viel Bewegung«, stellte er kurz fest. »Wir haben reichlich Arbeit zu erwarten – auch das hält fit.« Sein taubenblauer Anzug mit feinen Nadelstreifen wies von Sendenstein als einen Mann aus, der sich in dem grau-blauen Heer der Bonner Gesellschaft zu bewegen wußte.
    Nach wenigen Minuten wurde der Kaffee serviert. Johann Wanitzky warf der nicht großen, aber wohlproportionierten Dame, die unverkennbar die Pflichten einer geschulten Chefsekretärin wahrnahm, einen fordernden Blick zu, der allerdings in den blauen Augen der unergründlich Lächelnden unterzugehen schien.
    »Danke, Frau Nikols«, sagte von Sendenstein und wartete, bis sie die Tür wieder zugezogen hatte. Dann fuhr er fort: »Meine Herren, ich denke, wir sollten die Präliminarien hinter uns bringen, damit wir uns den Sachfragen zuwenden können.« Kai Fischbach nickte stumm; er kannte die Gewohnheiten seines Kompagnons.
    Johann Wanitzky, der genüßlich die Kaffeetasse zum Munde führte, sah auf und lächelte skeptisch. Von seinen Verhandlungen mit ausländischen Geschäftspartnern in Vorderasien, im Mittelmeerraum und in Afrika war ihm ein anderer Einstieg in Geschäftsfragen vertraut – viel Kaffee, lange, unverbindliche
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