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Spekulation in Bonn

Titel: Spekulation in Bonn
Autoren: Georg R. Kristan
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Dekor des Spätrokoko im Festsaal der Redoute die Spitzen von Politik und Wirtschaft eingefunden; nicht um das Godesberger Wasser zu trinken, sondern um einen Toast nach dem anderen auf ihren Zukunftsträger auszubringen. Planungsminister Deikelmann wurde sechzig Jahre alt. Doch er wirkte in seinem dunkelblauen Anzug mit den steigenden Revers und dem – trotz der konservativen Grundhaltung – stets rot getönten Querbinder wie ein durchtrainierter Endvierziger. Aus einem hageren Gesicht blickten wache blaue Augen in den Festsaal, wo gewiß zweihundert Träger gepflegter Garderobe und hoher Verantwortung für Staat und Gesellschaft sowie einige ausgesuchte dekorative Erscheinungen der Kirche und der Wissenschaft auf das Ende der Elogen – und die Freigabe des reichhaltigen kalten Büffets warteten. Doch das Schlußwort des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt mußte noch ertragen werden.
    »Sehr verehrter Herr Minister, hochgeschätzter Parteifreund, lieber Viktor! Mein Glückwunsch, auch im Namen der Bürger Bonns und – das darf ich hier offen sagen – im Namen deiner Parteifreunde, kommt von Herzen. Du hast mit deinem weitsichtigen Planungsprogramm der nun ein Dutzend Jahre bestehenden Hauptstadtvereinbarung den zukunftsweisenden Inhalt gegeben. Das Provisorium Bonn dürfen wir endlich im Zettelkasten der Geschichte ablegen. Natürlich wollen wir Berlin als Zentrum unseres wiedervereinigten Vaterlandes sehen, doch für diesen unseren Staat ist und bleibt Bonn die Bundeshauptstadt.«
    Der Bürgermeister hob den Kopf und legte eine Kunstpause ein, um der ehrenwerten Gesellschaft die erwartete Gelegenheit zum Beifall zu geben. So wurde dann auch, der Stimmung des Raumes angemessen, nicht zu lange und nicht zu laut geklatscht. Der Bürgermeister wußte mit den auf einen schnellen Schluß hindeutenden Worten die Erwartung der Harrenden zu befriedigen: »Wir haben viele und gute Glückwunschadressen zu deinem runden Geburtstag gehört, lieber Viktor. Ich kann nur jedes Wort meiner Vorredner unterstreichen und mich darum kurz fassen: Du sollst jung und gesund bleiben. Du sollst weiterhin helfen, der Zukunft ein menschliches Gesicht zu geben. In deinem Ressort läuft alles zusammen, worauf wir hier in Bonn und im weiten Rund der Republik im wahrsten Sinne des Wortes ›bauen‹ können. So darf ich feststellen: Jede Investition in Bonn ist eine Investition für Deutschland – Glück auf, Herr Minister, Glück auf, Viktor!«
    Nun war es durchgestanden. Der Beifall kam heftig, ebbte aber schnell ab. – Die Schlacht am kalten Büffet konnte beginnen.
    Arno von Sendenstein gelang es, sich an die Seite des parlamentarischen Staatssekretärs des Bundesministeriums für Planung und Organisation zu schieben. Die beiden Herren hatten nicht nur intensive berufliche Kontakte, sondern waren auch durch die verschlungenen Wege der alten Adelsgeschlechter über den »Gotha« miteinander verbunden. Ein gemeinsamer Ahne hatte in den Kriegen der Kreuzritter große Liegenschaften im Osten erworben, doch die waren im Krieg unter dem falschen Kreuz wieder verlorengegangen.
    »Mein lieber Sendenstein«, sagte der Staatssekretär, »Koordinata-Bonn geht herrlichen Zeiten entgegen. Draußen sieht’s ja nicht so rosig aus, aber es wird boomen in Bonn.«
    »Wird auch höchste Zeit«, bestätigte der Angesprochene, langte nach einer Scheibe Kaßler und löffelte Waldorfsalat auf seinen Teller. »Etwas mehr Selbstdarstellung dürfte dem Staat guttun.«
    Der Staatssekretär plauderte ein wenig aus dem Nähkästchen: »Die wichtigsten Haushaltsansätze sind in den Ausschüssen gelaufen. Große Einigkeit der Erbsenzähler quer durch alle Parteien. Die Grünen wollen wie immer dagegenhalten – also keine Probleme mehr im Plenum.«
    »Wir werden das Unsere tun, die richtigen Firmen heranzuholen; Bonn braucht Qualität«, erläuterte von Sendenstein seine Geschäftspolitik. »Es dürfte nicht ganz leicht sein, die Spreu vom Weizen zu scheiden.«
    Der »Parlamentarische« nickte, biß in ein Kanapee mit Brüsseler Pastete, schluckte schnell, ohne zu genießen, und spülte mit Sekt nach. »Was ich noch sagen wollte: Der Beratungsvertrag geht doch wohl klar? Das Honorar muß sich im Rahmen halten, dafür darf die Unkostenerstattung reichlich sein, sonst könnte ein MdB zu leicht gegen die ›Verhaltensregeln‹ des Parlaments verstoßen.«
    Arno von Sendenstein zögerte mit der Zusage. »Wir sind noch nicht im ganz großen Geschäft – und dann die
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