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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Autoren: Stefan Baron
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Kommunikationsabteilung des Hauses immer zeitnah über alle relevanten Fakten und Positionen der Führung zu aktuellen Themen im Bilde und kann entsprechend schnell handeln.
    In meinen Briefings spare ich negative Botschaften nicht aus oder packe sie in Watte. Im Gegenteil, ich gewichte sie von Anfang an bewusst höher als die positiven und sage ganz unverhohlen meine Meinung. Ackermann schätzt Klartext – er pflegt ihn selbst. Beschönigung, Unehrlichkeit und Winkelzüge sind ihm verhasst. Eine offene Streitkultur, Rede und Gegenrede betrachtet der Schweizer als wichtiges Führungsprinzip. Es sorgt nach seiner Überzeugung für bessere Resultate. »Bei mir gilt der Grundsatz ›Don’t shoot the messenger‹«, hatte er mir schon vor meinem Arbeitsbeginn gesagt.
    Wie ich später feststellen konnte, wird der Überbringer schlechter Nachrichten zwar nicht erschossen, aber gegrillt: Er muss die Gründe dafür plausibel machen können und tunlichst auch schon Lösungen parat haben, wie sich solche Nachrichten in Zukunft vermeiden lassen. Josef Ackermann die Wahrheit zu sagen – und in Zeiten der Finanzkrise heißt das oft genug eine unangenehme Wahrheit – ist zwar erwünscht, aber anstrengend. Wenn es mal wieder besonders anstrengend war, frage ich mich so manches Mal, wie viele in der Bank dem Stress wohl gezielt aus dem Wege gehen.
    Nach meinem Amtsantritt in Frankfurt treffe ich meinen Chef zum ersten Mal für ein Interview mit Dieter Jepsen-Föge, Chefredakteur des Deutschlandradio , das am Sonntag, dem 17 . Juni, ausgestrahlt werden soll. Drei Tage vor jedem Termin mit Journalisten bekommt Josef Ackermann regelmäßig ein umfangreiches schriftliches Briefing, das ihn nicht nur auf alle möglichen Fragen vorbereitet, sondern auch auf den jeweiligen Gesprächspartner und das Medium, das er vertritt. Unmittelbar vor dem Termin setzen wir uns dann in der Regel noch einmal auf eine Viertelstunde zusammen, um letzte Entwicklungen aufzunehmen sowie die endgültige Marschroute und zentralen Botschaften abzustimmen. Der Schweizer, so stelle ich bald dankbar fest, nimmt Kommunikation wirklich ernst.
    Im Gespräch mit Journalisten hört er aufmerksam zu, antwortet frei heraus und ohne Girlanden, zeigt sich umgänglich und gewinnend. Fast alle, die ihm persönlich begegnen, schwärmen hinterher, wie normal, unkompliziert, zugewandt und frei von dem üblichen Chefgehabe Ackermann doch sei.
    »Buhmann« und »Reizfigur« ist Josef Ackermann ohnedies immer mehr für Politiker und Journalisten gewesen als für normale Bürger. Nicht ein einziges Mal in fünf Jahren habe ich jedenfalls eine unschöne Situation erlebt, wenn sie auf das »Gesicht des Kapitalismus« treffen. Im Gegenteil. Wo immer der Schweizer auftritt, sind die Menschen freundlich. Wird er auf der Straße, im Hotel oder Restaurant erkannt, wollen auch Sparkassenkunden ein Autogramm von ihm haben oder ein Foto mit ihm machen. Bei Veranstaltungen drängen sich anschließend regelmäßig zahlreiche Zuhörer nach vorne. Unter ihnen sind besonders viele Frauen. Auf sie übt der Deutsche-Bank-Chef offenkundig eine besondere Anziehungskraft aus.
    Josef Ackermann geht auf einfache Bürger genauso zu wie auf Prominente. Auf Finanzlaien ebenso wie auf Finanzanalysten. Nur wenn er sich langweilt – und das tut er schnell – und sich nicht im Zaume hält, blitzt bei ihm durch, was ich in den ersten Wochen bei der Bank auf der Veranstaltung mit ihm in Zürich erlebt habe. Die Süddeutsche Zeitung beschreibt es als »Mischung aus Überheblichkeit und Oberlehrerattitüde«. Man könnte es auch intellektuelle Arroganz nennen. »Mit eleganter Beiläufigkeit«, so der Spiegel bei einer anderen Gelegenheit über den Deutsche-Bank-Chef, »kann er die halbe Welt zu Trotteln erklären, eher drei Viertel.«
    Es ist kein Zuckerschlecken, für Josef Ackermann zu arbeiten. Wie an sich selbst stellt er auch an seine Umwelt höchste Anforderungen und gibt sich nur mit erstklassigen Ergebnissen zufrieden. Schon 1 b ist ihm zu wenig. Mit tödlicher Sicherheit entdeckt er selbst die kleinsten Schwachstellen in einer Argumentation oder Vorlage und dringt so lange auf Verbesserung, bis er alles perfekt findet. Redemanuskripte für Pressekonferenzen, Hauptversammlungen oder sonstige wichtige Auftritte durchlaufen leicht ein halbes Dutzend Versionen.
    Für Ackermann gibt es weder bei sich noch bei anderen feste Essens- oder Ruhezeiten, er kann zu jeder Tages- oder Nachtzeit anrufen. Die Woche
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