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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Autoren: Stefan Baron
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dem Wirtschaftsbeirat des Goethe-Instituts vor. In der Wirtschaft kennt er rund um den Globus alle, die Rang und Namen haben. Auch in der Politik ist er bestens vernetzt. Von diversen US -Präsidenten bis zu den Staats- und Regierungschefs Russlands und Chinas, von den Ölscheichs Arabiens bis zu den Herrschern der Königshäuser Europas.
    Er diskutiert mit George W. Bush im Oval Office über das Rechtssystem der USA und mit Wladimir Putin in seiner Residenz in Nowo-Ogarjowo vor den Toren Moskaus über das bestmögliche Finanzsystem für Russland. Dem spanischen König Juan Carlos erläutert er im Königspalast in Madrid die Gefahren, die von der europäischen Staatsschuldenkrise ausgehen. Auf der Farm des steinreichen Prinzen und Großinvestors Al-Walid ibn Talal al Saud in der Wüste Saudi-Arabiens kickert der begeisterte Tischfußballspieler so lange mit dessen Frau, bis er mit Blasen an den Händen aufgeben und sich von einem Arzt verbinden lassen muss. Der ehemalige Pekinger Oberbürgermeister und heutige Vize-Premier Wang Qishan macht auf seiner Europareise in Frankfurt Station. Josef Ackermann lässt ihm in der Villa Sander, dem Gästehaus der Deutschen Bank, sein westliches Lieblingsgericht Ossobuco servieren.
    Als ich den Schweizer einmal frage, wer ihn von den vielen Promis, die er kennt, am meisten beeindruckt hat, nennt er nach kurzem Nachdenken den ehemaligen chinesischen Staatschef Jiang Zemin. Dessen profunde Kenntnis der abendländischen Kultur habe ihn regelrecht beschämt: »Welcher westliche Staats- oder Regierungschef oder Unternehmensführer kann ein chinesisches Gedicht rezitieren oder Volkslied singen?« Westliche Politiker und Wirtschaftsvertreter müssten viel mehr über die Kultur des Riesenreichs lernen, um den Chinesen auf Augenhöhe begegnen zu können. »Die Chinesen kennen uns viel besser als wir sie«, so Josef Ackermann.
    Wo immer in der Welt die Kanzlerin oder der Außenminister hinkommen – der Deutsche-Bank-Chef war schon da. Und nicht selten geben ihm seine Gesprächspartner eine Botschaft für die Regierung in Berlin mit auf den Weg. Für sein Haus sind dieses Netzwerk und die Wahrnehmung als Vertreter Deutschlands ein unschätzbarer Vorteil – sein Ansehen in der Welt ist dadurch weit größer als sein Gewicht an der Börse. Auch für die Bewältigung der Finanzkrise und ihre Aufarbeitung sollte es sich als großes Plus erweisen.
    Spätestens nach der Rückkehr von seinen Reisen speist der Deutsche-Bank-Chef seine Beobachtungen und Anregungen systematisch in die Organisation ein. Meistens tut er dies jedoch schon von unterwegs. Sein Büro aus zwei Sekretärinnen und zwei Assistenten bleibt immer auf Trab, auch wenn der Chef nicht da ist. Umgekehrt taktet es ihn Tag für Tag meist auf Monate voraus so eng durch, dass für den Hausherrn in Frankfurt routinemäßig ein Aufzug in die Tiefgarage blockiert wird, sobald er sich auf den Weg zum nächsten Termin macht. Zurück gilt dasselbe. Es soll nur ja keine Minute verlorengehen. Mathias Fluck, Ackermanns Fahrer in den letzten drei Jahren, bewundert an seinem Chef dessen »absolute Verlässlichkeit«. Er sei »immer pünktlich – wie ein Schweizer Uhrwerk«.
    Josef Ackermann kommuniziert nahezu ausschließlich mündlich, entweder im persönlichen Gespräch oder per Telefon. Schriftliches von ihm gibt es so gut wie gar nicht. E-Mail ist tabu. Ein kurzes »o. k.«, »pls discuss!« oder »pls call!« auf Papier oder als SMS , das ist alles.
    Die Bank führt der Schweizer über Zahlen. Stets ist er bestens im Bilde, wie die Geschäfte laufen. Jeden Tag gegen 16 Uhr Mitteleuropäischer Zeit bekommt er den sogenannten Flash, eine Seite mit den wichtigsten aktuellen Kennziffern aus den einzelnen Geschäftsbereichen. Nichts Wesentliches entgeht seinem Röntgenblick. Entdeckt er eine Schwachstelle, greift er sofort zum Telefon, um direkt und notfalls auch hart gegenzusteuern.
    Läuft dagegen alles, lässt Josef Ackermann lange Leine. Er ist kein Mikromanager, aber ein Perfektionist, der sich nur mit dem Besten zufriedengibt, gleichgültig wie viele Runden dafür zu drehen sind. Er ist kein Workaholic, aber jemand, der seine Rolle voll auslebt. Hinzu kommen ein messerscharfer Verstand, ein Elefantengedächtnis und eine Bärenkonstitution.
    Freizeit ist für den Deutsche-Bank-Chef ein Fremdwort. Drei Wochen Sommerurlaub im August. Hin und wieder mal ein Besuch in der Oper, einem Kunstmuseum oder dem Frankfurter Fußballstadion, seit die
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