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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Autoren: Stefan Baron
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Düsseldorfer Unternehmens dadurch deutlich gestiegen. Zur Belohnung hatte der Deutsche-Bank-Chef als Mitglied des Aufsichtsratspräsidiums gemeinsam mit dem Vorsitzenden Joachim Funk und dessen Stellvertreter, dem IG -Metall-Funktionär Klaus Zwickel, Sonderprämien für Vorstandschef Klaus Esser, Funk selbst und andere Mitarbeiter in Höhe von insgesamt 57 Millionen Mark bewilligt.
    Die drei Millionen davon für Funk kamen einer glatten Selbstbegünstigung gleich. Der Schweizer verspürte dabei offenbar selbst ein ungutes Gefühl, wie er mir später sagte, verdrängte es jedoch. Um einen »Affront« zu vermeiden, habe er der Bitte Funks nachgegeben. Er hätte sie abschlagen müssen.
    Für Ackermann waren solche Zahlungen allerdings nichts Ungewöhnliches und auch die Beträge, um die es ging, eher klein. Allein Frank Newman, dem ehemaligen Chef der New Yorker Investmentbank Bankers Trust, hatte die Deutsche Bank nach der Übernahme des Geldhauses 1999 zuerst fürs Bleiben und später fürs Gehen insgesamt rund 100 Millionen Dollar bezahlt.
    Die Staatsanwälte beeindruckten derartige internationale Gepflogenheiten jedoch nicht. Sie warfen dem Deutsche-Bank-Chef und den anderen Beteiligten »Untreue in besonders schwerem Fall« vor. Ein Delikt, auf das eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren steht.
    Am 21 . Januar 2004 , dem Eröffnungstag des Prozesses vor dem Düsseldorfer Landgericht, entstand das dem beteiligten Strafrechtsanwalt Rainer Hamm zufolge »wohl am meisten missdeutete Pressefoto« der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Beim Warten auf die verspäteten Richter im Saal L 111 des Gerichts vertrieben sich die Angeklagten mit Smalltalk die Zeit und kamen dabei auf den amerikanischen Popstar Michael Jackson zu sprechen. Nur fünf Tage zuvor hatte der bei der Eröffnung seines Prozesses wegen des Vorwurfs der Kindesmisshandlung das Gericht warten lassen und beim Verlassen des Gerichts auch noch das Victory-Zeichen gemacht. Josef Ackermann ahmte das im Spaß nach und wurde dabei von dem dpa -Fotografen Oliver Berg abgelichtet.
    Der Schnappschuss ging um die Welt. Da der Hintergrund nicht bekannt war, wurde Ackermanns V-Zeichen von der deutschen Öffentlichkeit auf sein eigenes Verfahren bezogen. Ein Sturm der Entrüstung brach los. »Obszön«, kommentierte die Süddeutsche Zeitung . »Ackermann hat verloren, selbst wenn er den Prozess gewinnt«, schrieb der Spiegel in einer Titelgeschichte. Überschrift: »Die Arroganz der Mächtigen«.
    Das fatale Missverständnis hätte sich mit einer raschen persönlichen Erklärung vielleicht noch aus der Welt schaffen lassen. Die Äußerung des Schweizers beim Verlassen des Gerichtssaals, wonach Deutschland »das einzige Land« sei, »in dem diejenigen, die Werte schaffen, bestraft« würden, machte das jedoch unmöglich. Damit habe der Chef der Deutschen Bank, so die Süddeutsche , seine »Verachtung« auch gegenüber denen zum Ausdruck gebracht, »die für kleines Geld schuften und Werte schaffen«.
    Von einem Tag auf den anderen war Josef Ackermann in Deutschland als Bösewicht abgestempelt und zum hässlichen Gesicht des Kapitalismus geworden. Daran hatte auch sein Freispruch gegen eine Geldauflage in Höhe von 3 , 2 Millionen Euro fast drei Jahre später nichts geändert.
    Schlimmer konnte es kaum mehr kommen, dachte ich. Die Popularitätskurve des Schweizers besaß viel Aufwärtspotential.
    Ein Artikel der WirtschaftsWoche im August 2000 war der Auslöser dafür, dass Josef Ackermann fast zwei Jahre vor dem planmäßigen Ausscheiden von Rolf-Ernst Breuer zu dessen Nachfolger gekürt worden war. Mein damaliger Kollege Dirk Schütz, heute Chefredakteur des Zürcher Wirtschaftsmagazins Bilanz , hatte darin beschrieben, dass im Vorstand der Bank auch Thomas Fischer Ambitionen auf den Spitzenplatz hegte.
    Ackermann muss bei der Lektüre ein Déjà-vu-Erlebnis gehabt haben. Schon einmal, bei seinem vorherigen Arbeitgeber, der Schweizerischen Kreditanstalt, heute Credit Suisse, waren seine Hoffnungen kurz vor dem Ziel geplatzt. Er hatte seine Vorstellungen für eine Universal-Bank aus Privatkundengeschäft, Vermögensverwaltung und Investmentbanking nicht durchsetzen können und die Bank verlassen, in der er in wenigen Jahren vom Assistenten zum Präsidenten der Generaldirektion aufgestiegen war.
    Der WirtschaftsWoche -Artikel ließ auch seine Londoner Deutsche-Bank-Kollegen um Edson Mitchell, den damaligen Leiter des wichtigen Wertpapierhandelsgeschäfts, unruhig
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