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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Autoren: Stefan Baron
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Rekordniveau von 118 Euro.
    In den ersten beiden Wochen in Frankfurt bekomme ich meinen Chef überhaupt nicht zu Gesicht: Er ist unterwegs. Von Athen, wo der Weltbankenverband International Institute of Finance ( IIF ), dessen Präsident er ist, seine Frühjahrstagung abgehalten hatte, geht es um die halbe Welt. Zuerst nach Kapstadt, von da nach Paris und St. Petersburg, weiter nach New York und Washington bis an die US -Westküste.
    Josef Ackermann ist im Flugzeug zu Hause. Morgens Chicago, mittags Houston, gegen Abend Las Vegas und am späten Abend Los Angeles. Zum Abendessen im Restaurant Borchardt in Berlin mit Journalisten ein Wiener Schnitzel oder Rindertartar essen, danach ins Flugzeug und am nächsten Morgen Frühstück mit einem Notenbanker in New York, Regierungsmitglied in Mexiko City oder Großkunden in São Paulo – das ist Alltag für den Deutsche-Bank-Chef, wie ich später erleben sollte. Auf einer Südamerika-Reise etwa sieht er in einer Woche en suite die Regierungschefs von Peru, Argentinien und Brasilien.
    Auch am Wochenende ist der Schweizer sehr oft auf Reisen. Einmal fliegt er für eine Sitzung des internationalen Beirats der Stadt Shanghai Freitagnacht von Frankfurt nach China und ist Montagmorgen wieder pünktlich im Büro zurück. Ein anderes Mal geht es am Wochenende nach Seoul und zurück, um vor Ort im Gespräch mit südkoreanischen Behörden ein größeres Problem für die Bank wieder einzurenken. »Manchmal weiß ich, wenn ich morgens im Hotel aufwache, nicht mehr, wo ich gerade bin«, bekennt Ackermann selbst. Der Chef der Deutschen Bank ist »rastlos im Auftrag des Kapitals unterwegs«, so der preisgekrönte Filmemacher Hubert Seipel in seinem vielbeachteten Porträt »Die Welt des Josef Ackermann« für die ARD . Kein Wunder: Das Geschäft des Geldhauses, früher einmal zu 80 Prozent im Inland, findet längst weit überwiegend im Ausland statt.
    Vor allem in der Boom-Region Asien ist das Institut in den zurückliegenden Jahren schnell gewachsen und wie zuvor schon in Europa und den USA zu einem der führenden Geldhäuser aufgestiegen. In 17 asiatischen Ländern unterhält es eigene Niederlassungen. Kamen 2008 noch zwei Milliarden Euro Erträge aus Fernost (ohne Japan), sind es inzwischen schon mehr als doppelt so viel. Die Bank ist an vielen der größten Börsengänge in der Region beteiligt. Das setzt Präsenz des Chefs vor Ort voraus.
    Der vielreisende Vorstandsvorsitzende wohnt denn auch nicht wie die meisten Topmanager der Frankfurter Finanzszene in einer eigenen Villa am Taunushang, sondern zur Miete in einer Vierzimmer-Wohnung nahe dem Palmengarten im Westend. Ackermann ziehe »den Kosmos einer multinationalen Stadtgesellschaft« einem abgeschirmten Leben hinter hohen Hecken und Mauern vor, schreibt Hilmar Hoffmann, langjähriger Kulturdezernent der Mainmetropole, in der Neuauflage seines Buches »Die großen Frankfurter«, das auch ein Kapitel über den Schweizer enthält.
    Die Entscheidung hatte jedoch vor allem praktische Gründe. Was soll Josef Ackermann mit einer Villa in Kronberg? Schon wer ihn in seiner Stadtwohnung besucht, stellt fest: Hier lebt niemand. Hier hat jemand eine Bleibe, ein pied-à-terre, wie es die Franzosen so treffend nennen. Die Einrichtung ist unauffällig, quadratisch-praktisch-gut. Das Einzige, was irgendwie heraussticht, ist ein Schweizer Landschaftsgemälde von Ernst-Ludwig Kirchner im Flur.
    Der Bewohner hält sich an seiner Frankfurter Privatadresse in der Siesmayerstraße ebenso selten auf wie in seinem Büro auf der 32 . Etage im A-Turm der Bank an der Taunusanlage. Dort ist der Schreibtisch immer aufgeräumt und bis auf ein paar Unterschriftenmappen leer. Das Null-acht-fünfzehn-Mobiliar, Glastische und schwarze Ledersessel, könnte auch zu einem Sparkassendirektor passen. Im Wandregal steht allerhand Krimskrams: Ein Dreimast-Schoner in der Flasche zur Erinnerung an einen Besuch beim Übersee-Club in Hamburg, eine Statuette der griechischen Göttin Nike als Andenken an die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität von Thrakien und weitere Reise-Mitbringsel. Außer den Fotos von seiner finnischen Ehefrau Pirkko, mit der er seit über 35 Jahren verheiratet ist, sowie seiner Tochter Catherine, einer studierten Schauspielerin und Filmproduzentin, ist in dem Raum nichts wirklich Persönliches zu finden.
    Ins Auge springen dem Besucher allein eine lackierte Zigarrenbox aus feinem Wurzelholz und ein schwerer kristallener Aschenbecher.
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