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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Autoren: Stefan Baron
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Eigentlich gilt in den Türmen überall striktes Rauchverbot. Die einzige Ausnahme ist das Büro des Chefs. Um zu verhindern, dass er beim Rauchen einer Zigarre die Sprinkleranlage auslöst, ist dort die Empfindlichkeit des Rauchdetektors deutlich reduziert.
    Josef Ackermann hat sich in der Zentrale seiner Bank nie wohnlich oder repräsentativ eingerichtet. Warum auch, er ist ja sowieso kaum da und legt auf Äußerlichkeiten ohnehin keinen großen Wert. Von dem Imponiergehabe und der Gockelei so vieler Banker hat er jedenfalls nichts an sich. Seine Dienstuniform besteht aus gut geschnittenen, aber unauffälligen dunkelblauen Einreihern ohne Einstecktuch. Dazu ein uni-farbiges oder fein gestreiftes hellblaues oder weißes Hemd mit Manschettenärmeln und konventionellem Kragen. Uhr (Marke: Omega), Krawatte und Manschettenknöpfe sind edel, aber ebenfalls dezent.
    Das Auftreten des Deutsche-Bank-Chefs ist unprätentiös. Seine schwarze Kalbsledertasche trägt er selbst, er reist ohne Schleppe von Assistenten, zahlt nicht mit schwarzer oder platinfarbiger Kreditkarte, die goldene Mastercard tut’s auch. Plagt ihn nach getaner Arbeit spätabends noch eine Hungerattacke, weil er den ganzen Tag nicht richtig zum Essen gekommen ist, bestellt er in der Hotelbar am liebsten ein Glas offenen Rotwein und eine Currywurst mit Pommes frites. Im Büro sorgt sein Sekretariat dafür, dass für Notstände genügend Toblerone-Schokolade in der Schublade liegt.
    Josef Ackermanns Interesse, Ehrgeiz und Eitelkeit richten sich auf anderes. Sein hervorstechendstes Merkmal: Er will immer mehr wissen als die anderen, ihnen stets voraus und überlegen sein. Und er will alles ganz genau wissen.
    Sosehr dies die unmittelbar Betroffenen zu nerven vermag, so sehr sorgt es zugleich dafür, dass der Schweizer, anders als so viele in solchen Positionen, das Zuhören nicht verlernt hat. Für meine Entscheidung, zur Deutschen Bank zu wechseln, war diese Eigenschaft jedenfalls von zentraler Bedeutung. Wie sich schon bald herausstellen sollte, hatte ich mich darin nicht getäuscht.
    Wenige Wochen nach meinem Dienstantritt in Frankfurt nimmt Ackermann an einer Podiumsdiskussion des Schweizer Industrieverbands in Zürich teil. Dabei fährt er einer Mitdiskutantin für meinen Geschmack wiederholt etwas zu ungeduldig und prononciert in die Parade. Als ich ihm dies hinterher sage und empfehle, seine intellektuelle Überlegenheit weniger deutlich zu zeigen, wischt er die Kritik nicht einfach unwirsch beiseite, sondern beginnt eine Diskussion mit mir. Dabei stellt sich heraus: Die Argumentation der Frau hat ihn gelangweilt. Mit Langeweile kann er schlecht umgehen. Dann lassen Konzentration und Disziplin nach – und er macht Fehler.
    Die Gier des Bankers Josef Ackermann heißt Neugier. Sie zielt vor allem auf Menschen. Je bedeutender sie sind, desto besser. Die Treffen mit ihnen schmeicheln seinem Ego, hier kann er sich mit den Erfolgreichsten messen und erfahren, wie gut er selbst ist, das Terrain für große Geschäfte und Mandate vorbereiten und sich mit Informationen vollsaugen, die sich zum Nutzen der Bank verwerten lassen. Josef Ackermann setzt darauf, durch die Vielfalt der Perspektiven, die sich aus seinen zahlreichen Begegnungen mit Aktionären, Kunden und Regulierern, aber auch mit vielen Mitarbeitern auf seinen Reisen um die Welt ergeben, zu höherer Erkenntnis zu gelangen. Kein Weg ist dem Schweizer dafür zu weit, nichts zu viel oder zu anstrengend. Nirgends, so stelle ich auf vielen gemeinsamen Reisen mit ihm später fest, ist er mehr bei sich als »on the road«, im Gespräch mit Kunden und Kollegen, Aktionären und Anlegern, Regierenden und Regulierern. Der Oberst der Reserve der eidgenössischen Armee zieht die Front der Etappe vor.
    Unter seiner Führung erst ist die Deutsche Bank ein wahrhaft globales, multikulturelles Institut geworden, vertreten in über 70 Staaten und mit Mitarbeitern aus fast 150 Ländern, zusammengehalten durch die englische Sprache und das Motto »Passion to Perform«, zu Deutsch: »Leistung aus Leidenschaft«. Als er in Frankfurt angefangen habe, erzählt er mir zu meinem Einstieg, sei auf der jährlichen Konferenz der Führungskräfte nur Deutsch gesprochen worden, die Schauspielerin Hannelore Elsner habe deutsche Gedichte vorgetragen.
    Ackermanns internationales Netzwerk sucht seinesgleichen. Er gehört dem Stiftungsrat des Davoser Weltwirtschaftsforums und dem Lenkungsausschuss der Bilderberg-Konferenz an und sitzt
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