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Feuchtes Verlangen - Wie alles begann

Feuchtes Verlangen - Wie alles begann

Titel: Feuchtes Verlangen - Wie alles begann
Autoren: Julia Fessel
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KAPITEL 1
    Stumme Tränen krochen über Linas Gesicht, als das Ave Maria erklang. Sie hatte nicht viel mit Kirche und Religion am Hut. Doch der Geistliche fand bewegende Worte für Markus, ihren verstorbenen Mann, vor allem aber für sie. So jung, und schon Witwe. Wie unverständlich die Wege des Herrn doch sein konnten! Wie hart das Schicksal derer, die zurückbleiben.
    ›Endlich einer, der ausspricht, was Sache ist!‹, dachte Lina. So anders als das Geschwafel von »Kopf hoch!« und »wird schon wieder«, das sie in den letzten Tagen ertragen musste.
    Die kräftige Stimme der Sängerin drang tief in die Seelen der Trauergäste vor. Selbst die hartgesottenen Anwaltskollegen des Verstorbenen begannen, auf ihren Lippen herumzukauen, um im Schmerz Ablenkung von ihren überbordenden Gefühlen zu finden. Manch einer biss so fest zu, dass ihn der Blutgeschmack auf andere Gedanken brachte. Andere zwickten sich in den Handrücken oder ließen ihren Geist in weite Ferne schweifen. Aus den hinteren Bänken waren Schnief- und Schnäuzgeräusche zu vernehmen, und einzelne Menschen heulten ungezügelt drauflos.
    ›Sicher niemand vom Leb’schen Clan‹, dachte Lina.
    Wie gerne hätte sie es ihnen nachgemacht! Doch die letzten Jahre lehrten sie, Fassung zu bewahren – komme, was wolle. Mit ihrer natürlich-offenen, undiplomatischen Art hatte sie ihre Schwiegereltern brüskiert. Sie verkehrte in den Höheren Kreisen ihres Mannes wie ein Elefant im Porzellanladen. Schließlich musste Markus im Auftrag seiner Familie ein Machtwort sprechen. Lina lächelte, als sie daran dachte. Er schien ihr hoffnungslos verfallen, und sein Tadel dementsprechend schwach und angreifbar. Doch sie verstand die Botschaft, auch deshalb, weil sie immer seltener zu gesellschaftlichen Anlässen eingeladen wurde. Lina wollte es nicht darauf ankommen lassen, ganz isoliert zu werden, und hielt ihr Temperament im Zaum. Trotzdem besserte sich das Verhältnis zu Markus' Eltern nicht, und die aufgestauten Emotionen schlugen in tiefe, nie artikulierte Abneigung um. Man ließ sie spüren, dass sie zu keinem Zeitpunkt der Leb'schen Dynastie angehörte. Sie war froh, die Gesellschaft nur noch wenige Stunden ertragen zu müssen.
    Lina war 26 Jahre alt. Ihre Mutter starb bei der Geburt, was ihren Vater zum Alkoholiker machte. Das Jugendamt kannte ihre Adresse gut. Mehrere Male entzog man ihrem Vater das Sorgerecht. Schließlich brannte er durch und ließ sie alleine. So wuchs sie zwischen ihrem Zuhause, Heimen und Pflegefamilien auf. Das hübsche, zierliche, kluge Mädchen musste früh auf eigenen Beinen stehen. Sie machte das Abitur und die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. In ihrem ersten Praktikum lernte sie Markus von Leb kennen, und wie es das Klischee vorgab, verliebte sie sich in den jungen, adligen Patienten, dem ein Abszess am Hintern entfernt wurde. Nur vier Monate später stellte er die Frage aller Fragen. Da sich das Ansehen einer Krankenschwester nicht mit dem Anspruch von Leb’scher gesellschaftlicher Kreise vertrug, markierte ihre Hochzeit das Ende ihrer Berufslaufbahn.
    Knappe fünf Jahre war es her, dass sie Markus, ihrem ersten richtigen Freund, in dieser Kirche das Jawort gab. Blutjung, frisch verliebt, naiv. Sie hatte auf den Märchenprinzen gewartet und konnte ihm ihre Jungfräulichkeit schenken. Denn als sie 14 war, schloss sie mit Sandra, ihrer besten Freundin, den Pakt »Kein Sex vor der Ehe«. Sie hatte durchgehalten, Sandra nicht. Schlimmer noch: Auf den Geschmack gekommen, ließ sich ihre Freundin von jedem flachlegen, der körperlich imstande war. Mann, Frau, Aussehen, Verhütung, HIV oder Geschlechtskrankheiten interessierten sie nicht. Lina erfuhr brühwarm von den erotischen Abenteuern, die immer extremer wurden. Zuerst nur mit ihrem jeweiligen Kurzzeitbegleiter, dann zu dritt und zu viert mit wechselnder Geschlechter- und Rollenverteilung, es folgten das Kamasutra und Fetisch-Experimente, und eines Tages schlich sie sich nach einem Spiel in die Kabine der örtlichen Fußballmannschaft, und brachte nicht weniger als fünfzehn knackige Jungs zum Abspritzen. Der weiße Cocktail lief noch Stunden nach diesem Gangbang aus ihr heraus...
    ›Was denkst du nur?‹, ermahnte sich Lina. Das Begräbnis ihres Mannes war wohl kaum der geeignete Ort, in Sandras sexuelle Eskapaden abzugleiten. Ihre Freundin saß in der rechten Bank, im Kleinen Schwarzen, und hatte garantiert kein Höschen an. Ihr tiefer Ausschnitt war der Blickfang
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