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Sonntags bei Tiffany

Sonntags bei Tiffany

Titel: Sonntags bei Tiffany
Autoren: Patterson James
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Telefontarifen erzählen …«
    Ich klappte das Telefon zu und ließ es zurück in meine Tasche gleiten. Ich wünschte, zu der Art von Menschen zu gehören, die es fertigbrachte, es einfach in den nächsten Abfalleimer zu werfen. Natürlich würde ich es dann wieder herausfischen müssen, und natürlich würde genau in dem Moment ein Bekannter vorbeikommen, während ich im Müll wühlte, und dann wäre der Tag perfekt.
    Ich schluckte und spürte bereits die Tränen hinter meinen Augen. Perfekt – auf der Straße weinen. Eine neue Art von Tiefpunkt, auch für mich.
    Ich war eine jämmerliche Verliererin. Je eher ich mich der Wahrheit stellte, desto besser. Tatsache war, ich befand mich auf der Seite jenseits der dreißig, ich arbeitete für meine Mutter, und ich gehörte zu der Art von Frauen, die von ihrem wunderbaren, für sie viel zu guten Freund im Restaurant sitzengelassen wurden. Ja, genauso war es.

ZWÖLF
    M ichael verputzte gerade seinen zweiten Hot Dog. Er genoss ihn in vollen Zügen. Mann, hatte er ei nen Hunger. Einen Heißhunger! Und Gott sei Dank brauchte er sich keine Sorgen über die Kalorienzufuhr zu machen.
    Er war zwischen zwei Aufträgen wieder in New York und schlug die Zeit tot. Er ging aus, hatte seinen Spaß, wartete, was er als Nächstes zu tun bekommen würde. Er hatte bereits alle neuen Filme gesehen und die besten Museen besucht – unter anderem das Museum of the American Indian in Washington Heights -, er war in den meisten Donutläden und Cafés auf der Insel von Manhattan gewesen, zielstrebig auf der Suche nach dem alten Krapfenrezept. Ach ja, und er nahm Boxunterricht.
    Genau, Boxunterricht. Im Lauf der Jahre hatte er so viele Dinge entdeckt, die ihm gefielen. Bei einigen davon hatte er früher gedacht, sie würden ihm überhaupt nicht gefallen. Wie zum Beispiel Boxen. Aber es war ein wahnsinniger Sport, und er half einem, das Selbstbewusstsein aufzubauen. Und sich seiner selbst bewusst zu werden. Außerdem brachte Boxen ihn auf eine seltsame Weise den Menschen näher. Manchmal ein bisschen zu nah.
    Zwei Abende in der Woche besuchte er ein schäbiges
Sportstudio im zweiten Stock an der Eighth Street, wo ihm ein Schwarzer mit nach Whiskey und Pfefferminz riechendem Atem beibrachte, wie er ordentlich zuschlagen, sich vor einem Angriff schützen und sich an seinen Gegner ranmachen musste, um ihm einen linken Haken nach dem anderen zu verpassen.
    Er hatte sich an die achtzehnjährigen Schwarzen und Latinos gewöhnt, die ihm seine Nase blutig schlugen. Und auch daran, von seinen Sparring-Partnern, die ihn trotzdem zu mögen schienen, »Alter« genannt zu werden. Klar, jeder mochte Michael. Das war schließlich seine Aufgabe.
    Aber an den kräftigen Appetit, der ihn anschließend immer überfiel, hatte er sich noch nicht gewöhnt. Der Hunger danach war so heftig, dass er nur durch drei oder vier Hot Dogs und mindestens zwei große Becher Schokomilch gestillt werden konnte, die er sich auf der Straße kaufte.
    Nachdem er an diesem Abend seine Hot Dogs und Schokomilch bestellt hatte, dachte er darüber nach, wie nett es war, wieder in New York zu sein. Er hatte gerade in Seattle die Betreuung eines sechsjährigen Jungen abgeschlossen, dessen lesbische Eltern in der Kindererziehung genauso viele Fehler machten wie alle anderen auch. Sie kümmerten sich viel zu sehr um ihren Sam – zu viel Musikunterricht, zu viele Sportstunden, zu viele Nachhilfelehrer und zu oft die Frage: »Wie fühlst du dich damit, Sam?«
    Der Junge setzte Michaels »höfliches Durchsetzungstraining« in die Tat um, und den beiden Müttern gefiel es
sogar, dass Sam in letzter Zeit viel lebhafter geworden war. Michael hatte ihm geholfen, derjenige zu sein, der er war. Schließlich hatte Michael den Jungen, der sich nicht mehr an ihn erinnern würde, verlassen müssen. Aber so lief die Sache nun einmal. Michael hatte keinen Einfluss darauf.
    Jetzt hatte Michael so etwas wie Urlaub, hatte seinen Spaß, blickte sich nach Mädchen um, fuhr mit dem Fahrrad durch den Central Park, aß alles, was ihm schmeckte, ohne ein Gramm zuzunehmen. Und er tat, was ihm gerade in den Sinn kam, und ließ sich zweimal die Woche verprügeln. Nein, das war nicht zu schlagen.
    Als er den letzten Schluck seiner Schokomilch nahm, ging eine Frau an ihm vorbei. Automatisch blickte er ihr nach,
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