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Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun

Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun

Titel: Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
Autoren: Paul McAuley
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es zur Mittagszeit sein würde, weil es hier keine Atmosphäre gab, die das grelle weiße Licht abschwächen oder streuen konnte. Das Eisenbahngleis verlief schnurgerade. Die Pfeiler erhoben sich inmitten einer Kette kleiner Einschlagkrater und wurden länger, als das Gleis über eine breite, flache Vertiefung hinwegführte. Der Spion verlor die Spur der Passagiere des Triebwagens aus den Augen, als diese nach Norden abbog und um den Außenrand der Kraterkette herumführte. Er fuhr zurück und entdeckte einen hellgelben Kanister, den jemand weggeworfen hatte. Dann fand er auch die Spur wieder und folgte ihr.
    Nach ein paar Kilometern bog die Fährte aus Fußabdrücken und Scharrspuren erneut nach Norden ab und überquerte den niedrigen Rand eines mittelgroßen Einschlagkraters. Der Spion hielt das Raupenkettenfahrzeug an und blickte sich um. Das erhöhte Eisenbahngleis befand sich am Horizont hinter ihm, und die Mondlandschaft um ihn herum lag vollkommen still und leer da. Er setzte sich den Helm auf, stieg aus und folgte den Fußspuren den Kraterrand hinauf. Oben entdeckte er die flache Platte aus Fullerenverbundstoff, das fehlende Teil des Triebwagenbodens, die aufrecht an einem Hügel aus lockerem Eisgeröll lehnte.
Er räumte das Geröll am Fuß der Platte beiseite, und ein Helm kam zum Vorschein, dessen Sichtscheibe völlig zugefroren war.
    Der Druckanzug war heruntergefahren worden, und die Leiche in seinem Innern war hart gefroren. Der Spion hatte ein wenig Schwierigkeiten damit, den Helm zu öffnen, und er verspürte große Erleichterung, als er sah, dass es die Leiche eines Mannes war – das Gesicht so weiß und starr wie Marmor. Er legte die Leiche bis zur Hüfte frei und steckte sein Verbindungskabel in die Anschlussbuchse des Druckanzugs, um die persönlichen Daten durchzusehen, die dessen Speicher enthielt. Der Name des Toten war Felice Gottschalk. Er war in einem Gartenhabitat mit der Bezeichnung Dvoskin’s Knoll geboren worden und hatte bis kurz vor seinem Ableben in Paris gewohnt. Er war ein Architektenlehrling und Schallkünstler gewesen, dreiundzwanzig Jahre alt, keine Kinder. Perfekt.
    Der Spion dachte nicht weiter über den Toten nach oder über die Menschen, die ihn mitgeschleppt hatten, bis er gestorben war, und ihn dann hier begraben hatten, in der Hoffnung, dass sie eines Tages zurückkehren konnten, um die Leiche zu bergen, oder jemand anderes mitteilen konnten, wo sie zu finden war. Er fragte sich nicht, ob sie den sicheren Bahnhof erreicht hatten oder ob ihnen zuvor Luft oder Energie ausgegangen waren und sie irgendwo auf der leeren Ebene gestorben waren. Seine Neugier war rein praktischer Natur. Mit Ausnahme von Zi Lei interessierten ihn andere Menschen nur insofern, als sie für ihn nützlich oder gefährlich sein konnten.
    Deshalb trug er die Leiche ohne Zögern und großes Aufhebens zu dem Raupenkettenfahrzeug, verstaute sie in einem externen Spind und fuhr weiter nach Südosten. Das Eisenbahngleis verschwand allmählich am Horizont hinter ihm.
Als er das Funkeln eines langgezogenen Eisfelsen vor sich sah, fuhr er darauf zu.
    Der Fels, der durch tektonische Risse entstanden war, als Dione sich abgekühlt und seine Eiskruste sich zusammengezogen hatte, war mehr als hundert Meter hoch. Ein Teil davon war abgebrochen und hatte eine kleine, flache Vertiefung hinterlassen. Der Spion fuhr eine gelappte Anhöhe aus verfestigtem Geröll hinauf und hielt in den Schatten unterhalb der zerfurchten Vertiefung. Felice Gottschalks Leiche begrub er tief in dem staubigen Geröll, wo sie niemals jemand finden würde.
    Er wärmte eine Portion Reis mit schwarzen Bohnen und Shiitake-Pilzen in der Mikrowelle auf und aß sie. Dann machte er sich an die Arbeit, passte seine biometrischen Daten und sein DNA-Profil den biografischen Informationen in Felice Gottschalks Speicher an und spielte alles auf den ID-Chip in seinem Druckanzug. Diese falsche Identität würde einer oberflächlichen Überprüfung durch die Besatzer standhalten, und wenn er eines seiner Vorratslager erreichen konnte, die er während seiner Zeit in Paris angelegt hatte, wäre er auch in der Lage durch Injektionen mit halblebendigem Collagen sein Aussehen und seine Fingerabdrücke zu verändern. Der Spion döste ein wenig im Fahrersitz und erging sich in müßigen, aber angenehmen Phantasien über Zi Lei, bis die Nacht hereinbrach. Dann fuhr er in Richtung Paris weiter.
    Er war sich sicher, dass er Zi Lei dort finden würde. Wenn es ihr
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