Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun

Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun

Titel: Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
Autoren: Paul McAuley
Vom Netzwerk:
Flaggschiff der Flotte Großbrasiliens.

› 2
    Sri Hong-Owen befand sich gerade auf Janus und kletterte die Flanke eines großen Kraters hinauf, der in die dem Saturn abgewandte Halbkugel des Mondes gestanzt war, als General Arvam Peixoto sich bei ihr meldete. »Kehren Sie so schnell wie möglich zur Gaias Ruhm zurück«, sagte er. »Ich habe einen kleinen Auftrag, bei dem Ihr besonderes Fachwissen gefragt ist.«
    »Ich habe hier auch jede Menge Arbeit. Wichtige Arbeit«, sagte Sri, doch sie redete ins Leere. Der General hatte bereits die Verbindung unterbrochen. Sie wusste, wenn sie versuchen würde, ihn zurückzurufen, würde es ihr nicht gelingen, an seinen unfreundlichen Beratern vorbeizukommen. Und sie wusste auch, dass sie es sich nicht leisten konnte, sich seinen Befehlen zu widersetzen. Nach dem Ende des stillen Krieges galt Arvam Peixotos Wort hier draußen als Gesetz. Deshalb wechselte sie auf den Gemeinschaftskanal und teilte den drei Mitgliedern ihrer Mannschaft mit, dass sie zurückgerufen wurde.
    »Lasst alles stehen und liegen und packt eure Sachen. Wir fliegen in einer Stunde.«
    »Schon dabei, Chefin«, sagte Vander Reece. »Wir wurden ebenfalls benachrichtigt.«
    »Natürlich«, sagte Sri und schaltete das Kommunikationsgerät aus.
    Trotz ihres unförmigen Druckanzugs bewegte sie sich in der geringen Schwerkraft des kleinen Mondes wie eine Tänzerin, verbunden mit dem Ankerseil, dem sie die helle Anhöhe hinauf gefolgt war. Unter ihr erstreckte sich eine flache
Ebene, die sich dem nahen Horizont zuneigte und mit Vakuumorganismen bepflanzt war, die ein wenig an riesige silbrige Sonnenblumen erinnerten. Über ihr hob sich der zerfurchte Kamm krass vom schwarzen Himmel ab, wo Janus’ koorbitaler Partner Epimetheus zu sehen war, dessen Form einem abgeschnittenen Fingernagel glich. Die beiden Monde verfolgten einander auf derselben Bahn jenseits des äußeren Randes des A-Rings, der eine immer etwas tiefer und schneller als der andere. Etwa alle vier Jahre holte der schnellere Mond den langsameren ein. Wenn er bis auf zehntausend Kilometer an ihn herangekommen war, wurde er durch die Schwerkraft in einen höheren, langsameren Orbit geschleudert, während der langsamere Mond in einen niedrigeren und schnelleren Orbit hinabsank. Damit begann das Rennen von vorn, wieder und wieder, bis in alle Ewigkeit. Die himmlische Version eines nutzlosen Stoffwechselvorgangs. Eine plumpe Metapher für Sris Leben nach dem stillen Krieg.
    Es war ihr zweiter Ausflug zur Oberfläche des Janus, wo sie ganz allein einen langen Spaziergang zu dem Flickmuster aus Gärten unternommen hatte, die die inneren Abhänge und den Boden des Kraters bedeckten und mehrere Dutzend verschiedene Arten von Vakuumorganismen beherbergten. Die Gärten waren bereits von Drohnen kartiert worden, aber Sri hatte sich darauf gefreut, darin umherzuschlendern, Proben zu nehmen und nach Hinweisen zu suchen, die ihr etwas über die Absichten ihrer Schöpferin, der großen Genzauberin Avernus, verraten würden. Schade. Arvam Peixoto hatte an ihrer Leine gezogen, und wie ein braves Schoßhündchen musste sie zu ihm eilen, um ihrem Herrn zu Diensten zu sein. Sri schluckte ihren Ärger und ihre Enttäuschung hinunter, klappte ihre Spitzhacke mit dem langen Griff zusammen und hängte sie an den Mehrzweckgürtel
ihres Druckanzugs. Dann kletterte sie die Kraterflanke wieder hinunter, wobei sie der Leine durch die Ansammlungen von sonnenblumenähnlichen Vakuumorganismen folgte.
    Überall um sie herum ragten die schwarzen Stiele auf, die in silbrige Schüsseln ausliefen. Die Schüsseln bündelten das schwache Sonnenlicht – das hier nur ein Hundertstel der Helligkeit der Sonneneinstrahlung auf der Erde betrug – , und einige Knötchen in ihrer Mitte zogen mit Hilfe von Wärmeaustauschsystemen flüssiges Methan nach oben, erwärmten es und pumpten es in ein labyrinthartiges Netzwerk aus Myzelfäden zurück, die sich im Regolith verzweigten. Die Myzelfäden wiederum nahmen Kohlenstoffverbindungen, Seltene Erden und Metalle auf, die am unteren Ende des Stiels in Schuppen abgelagert wurden, wo sie zur Weiterverarbeitung eingesammelt werden konnten. Die Sonnenblumen drängten sich dicht an dicht. Ihre Schüsseln berührten einander, wie ein aus Kacheln bestehender Baldachin, der einen Großteil des Himmels verdeckte. Die Stiele waren von herabgefallenen Schuppen und Klumpen klotziger Ejekta umgeben. Trotz der geringen Schwerkraft war es nicht einfach, sich durch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher