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Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm
Autoren: Olaf Buettner
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Betty es
lichten konnte.
    „Ja-ha?“
Es war Elena.
    Diesmal
nannte ich meinen Namen. „Bettys Neffe“, fügte ich erklärend hinzu.
    „Es
brennt“, sagte ich ruhig. „Sie muss sofort nach Hause kommen.“
    „Mein
Gott!“, kreischte Elena entgeistert. „Ist es wirklich so schlimm?“
    „Schlimmer“,
sagte ich bestimmt.
    Ich
hörte noch, wie Elena leicht hysterisch nach Betty rief, dann legte ich auf.
Sechs Sekunden später klingelte das Telefon, aber ich hob nicht ab. Ich war
nicht blöd. Und gelogen hatte ich auch nicht, es brannte wirklich: in mir.
     
    Ich
hab bis heute keine Ahnung, wie sie es so schnell schaffte, aber keine zehn
Minuten später stand Betty vor mir. Ich hatte draußen auf sie gewartet, unter
dem kleinen Vordach an der Eingangstür, es regnete noch immer. Es war
stockdunkel und roch nach Herbst. Der Regen prasselte so laut aufs Vordach,
dass ich nicht gehört hatte, wie ihr Auto vorgefahren war. Ich sah sie erst,
als das Licht des Bewegungsmelders anging. Sie kam mir vor wie eine
Erscheinung. Wir beide hielten inne und schauten uns  an. Betty stand ohne
Schirm im Regen und war im Nu durchnässt.
    Ich
fragte, was sie jetzt wohl dachte. Vielleicht etwas wie: Wieso steht mein
Haus noch? Aber sie blieb einfach stumm. Sie hatte sofort begriffen, dass
ich keinen Hausbrand gemeint hatte.
    „Warum
bleibst du da draußen stehen?“, sagte ich endlich. „Du wirst ja ganz nass.“
Natürlich war das Blödsinn, denn nasser als sie schon war, konnte sie nicht
mehr werden. Sie trat zu mir unter das Dach.
    Ich
hatte mir alle möglichen Vorwürfe ausgemalt, die sie mir an den Kopf werfen
könnte: Was soll das? Bist du wahnsinnig geworden? Wohl komplett
durchgeknallt? Und dann hatte ich in meinem Kopf immer wieder diesen einen
Satz gehört: Ich bin so froh, dass morgen das Gespräch im Jugendamt sein
wird und danach alles vorbei ist!  Immer wieder hallte es nach: Vorbei,
vorbei …
    Tatsächlich
aber sagte Betty: „Ich bin froh, dass nichts passiert ist.“ Dann nahm sie mich
in den Arm und ich fing an zu weinen.
    Ich
hab keine Ahnung, wie lange wir so dastanden, auf einmal waren wir aus der Zeit
herausgetreten. Der Bewegungsmelder am Haus war längst wieder ausgeklickt, der
Regen wurde immer noch stärker. Er war da wie die Dunkelheit, wie der Geruch
des Herbstlaubs und der Duft von Bettys nasser Haut, vermischt mit einem Rest
ihres Parfums und auch wie die Wärme, die aus Bettys Körper auf mich überging.
    „Lass
uns hineingehen“, sagte sie schließlich. Ihre Hand streichelte beruhigend über
meinen Rücken. „Du bist ja auch klitschnass. Du holst dir noch den Tod hier
draußen.“ Ihre Stimme klang unsicher.
    „Ich
mache uns Tee“, schlug sie vor, als wir im Haus waren. „Am besten, du setzt
dich erst mal in die heiße Wanne.“
    Wie
willenlos schlurfte ich ins Bad und stellte das Wasser an. Ich setzte mich in die
leere Wanne, die sich nun langsam mit dampfendem Wasser füllte. Stück für Stück
zog das Wasser die Kälte aus meinem Körper.
    Trotzdem
ließ ich mir keine Zeit, denn ich musste endlich mit Betty reden. Als ich
gerade mit dem Abtrocknen anfing, ging  vorsichtig die Tür auf.
    „Der
Tee ist fertig“, sagte Betty. „Alles in Ordnung?“
    „Ich
komme“, sagte ich.
    Betty
öffnete die Tür ein Stück weiter und kam herein. Irgendwie schaffte sie es,
dass ich mich nicht wirklich nackt fühlte. Wie selbstverständlich rubbelte sie
mir den Rücken trocken und legte mir dann das Handtuch um die Schultern.
    „Ich
schenk schon mal ein“, sagte sie, als sie hinausging.
    Aus
der Küche roch es nach Tee und Rum.
    „Ein
kleiner Schuss kann nicht schaden“, sagte Betty. „Er wird uns gut tun.“ Auch
sie trug nun einen Morgenmantel. Es machte nicht den Eindruck, als ob sie noch
mal los wollte.
    „Ich
habe im Esmeralda angerufen“, sagte sie. „Mein Chef hat mir frei
gegeben. Er ist ein netter Mensch.“
     Ich
setzte mich. Das Licht der Küchenfunzel über dem Tisch kam mir noch trüber vor
als sonst.
    „Ein
Zuhälter und ein netter Mensch?“, fragte ich.
    Betty
lächelte schwach und rührte langsam in ihrem Tee.
    „Wie
kommst du darauf“, fragte sie ruhig, „dass er ein Zuhälter ist? Er betreibt
zwei Bars, das ist alles.“
    „Aber
...“
    „Nichts
aber. Ich arbeite im Esmeralda als Bedienung.
Du glaubst doch nicht im Ernst, ich würde ...“
    „Ich
weiß nicht mehr, was ich glauben soll.“
    „Jedenfalls
doch wohl nicht“, meinte Betty entschieden „dass ich
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