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Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm
Autoren: Olaf Buettner
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Schritte näher an mich heran. Sie roch noch immer nach Regen.
    „Hat
er dich ...?“, sagte ich. Ich wagte kaum, diesen Gedanken zu Ende zu denken.
    „Hat
er nicht“, sagte Betty, „Es war alles freiwillig.“
    „Wie
alt warst du damals?“, fragte ich.
    „Sechzehn“,
erwiderte sie.
    „Siebzehn,
als Luisa geboren wurde. Sie wurde sofort zur Adoption freigegeben. Nur ein
Teil der Familie hat gewusst, wer der Vater war. Beim Standesamt habe ich
angegeben: Vater unbekannt , das erschien uns allen am besten so. Und ich
denke, das war es wohl auch.“
    „Und
du hast die ganze Zeit gewusst“, fragte ich ungläubig, „dass Luisa, ich meine,
dass dieses Mädchen, fast aus der Nachbarschaft, deine Tochter ist?“
    „Nein,
natürlich nicht“, sagte sie. Sie stand jetzt direkt vor mir. Immer stärker roch
ich den Duft ihrer feuchten Haut. „So was erfährt man normalerweise nicht. Und
das Baby ist damals auch in eine andere Stadt gegeben worden. Es ist reiner
Zufall, dass Luisas Familie ein paar Jahre später an die Küste gezogen ist. Ihr
Adoptivvater ist Soldat und hierher versetzt worden.“
    „Aber
woher weißt du dann ...?“
    Betty
drehte sich plötzlich um und setzte sich wieder an den Tisch. Sie machte sich
noch einen Tee, ich lehnte ab.
    „Vor
fast zwei Jahren“, sagte Betty, „klingelte es plötzlich an der Tür und Luisa
stand davor. Ich wusste sofort, wer sie war.“
    „Aber
woher ... woher wusste sie, dass ...?“, stammelte ich und setzte mich ebenfalls
wieder hin.
    „Sie
hat ein Gespräch ihrer Adoptiveltern belauscht und so herausgefunden, dass sie
nicht deren leibliche Tochter ist, und dann hat sie keine Ruhe gegeben, bis
...“
    „...
bis sie dich gefunden hatte“, vollendete ich den Satz.
    Betty
nickte. „Ihre Adoptiveltern wussten, dass sie von hier kam. Mich hat sie mit
Hilfe irgendeines Freundes ausfindig gemacht, dessen Vater Familienrichter
ist.“
    „Dean“,
sagte ich leise zu mir selbst, dann zu Betty: „Aber warum hattet ihr dann
keinen Kontakt mehr?“, fragte ich. „Ihr seid doch Mutter und Tochter.“ 
    „Ich
wollte es nicht“, sagte Betty und sah nicht besonders glücklich aus. „Ich hatte
so lange nichts von ihr gehört. Im Laufe der Jahre hatte ich sie fast schon
vergessen. Und mittlerweile warst du auch hier bei mir und ich hab schon
gesehen, wie schwierig das für mich war. Ich schaffe es nicht, jemandem das
Leben leichter zu machen. Im Gegenteil, alle, die es mit mir zu tun haben,
kriegen Probleme, die sie vorher nicht hatten.“
    „Schwachsinn!“,
sagte ich. „Was redest du da?“
    Ich
legte meine Hand auf ihre und streichelte sie. Ihre Fingernägel waren ziemlich
lang und aus der Bar noch rot lackiert.
    „Doch,
Julian“, beharrte sie. „Das stimmt. Luisa soll ihr Leben ganz normal
weiterleben. Sie hat doch richtige Eltern gefunden, die sie lieben. Bei denen
sie bisher ein glückliches Leben geführt hat, soviel ich weiß. Aber kaum holt
sie mich in ihr Leben zurück, fängt das Unglück auch schon an.“
    „Wieso
Unglück?“, fragte ich.
    „Findest
du es vielleicht in Ordnung, dass sie sich an dich ranmacht, nur um mich in
ihre Nähe zu bekommen? Jetzt bist du verliebt in das Mädchen und musst
erfahren, dass es ihr um etwas ganz anderes geht als um dich. Ich schäme mich
wahnsinnig.“ Wieder fing Betty an zu weinen.
    Ich
beugte mich zu ihr vor und wischte ihr ein paar Tränen aus dem Gesicht. Betty
schmiegte ihre Wange ganz sanft in meine Hand.
    „Was
du denkst, stimmt nicht“, sagte ich. „Ich bin mir ganz sicher, dass Luisa mir
nichts vorspielt. Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen.“
    Ich
ging auf ihre Seite des Tisches hinüber, hockte mich neben sie und nahm sie in
den Arm. Wieder roch ich ihre Haut und ihr Parfum.
    Dann
spürte ich unbeabsichtigt durch den Stoff ihres Morgenmantels ihre Brust.
Vorsichtig begann ich, sie zu streicheln. Betty legte eine Hand auf meinen
Hinterkopf und schaute mich überrascht an.
    „Und
darin täuschst du dich auch“, sagte ich leise. „Ich liebe Luisa nicht.“
    Langsam
wanderte mein Gesicht hoch zu dem von Betty, aber sie kam mir auf halbem Wege
entgegen und wir küssten uns. Diesen Augenblick werde ich nie vergessen.
    „Ich
liebe dich, Betty“, sagte ich.
    Mein
Kopf lag an ihrem Hals. Ich hatte ein federleichtes Gefühl in mir. Ich hatte ihr
gesagt, dass ich sie liebe! Und auch mir selbst hatte ich es damit gesagt,
endlich. Jetzt schien plötzlich alles möglich! Aber schon war der
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