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Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm
Autoren: Olaf Buettner
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ich leise. „War der etwa auch ein moralisches Vorbild, mit seiner Sauferei? Oder Kurt, ist der vielleicht eins?“
    Ein
nervöses Flattern trat in ihre Augen.
    „Was
weißt du?“, fragte sie. Wir waren an einem entscheidenden Punkt angelangt.
    „Nichts“,
sagte ich und kratzte mit dem Daumennagel auf der Wachstuchdecke herum. „Nichts
Genaues.“
    Betty
dachte nach.
    „Ich
mache uns einen Tee“, sagte sie dann. Ich rutschte auf meinem Stuhl nach unten
und wartete.

 
    20
     
    „Ich
hab nicht das Gefühl“, sagte ich, „dass sie mir alles erzählt hat. Aber das
Schlimmste ist raus, denke ich.“
      
„Das da wäre?“, fragte Henry.
    Wir
saßen in einem kleinen Bistro in der Innenstadt. Es war früher abend , draußen wurde es schon dunkel. Am nächsten Tag
musste ich zu Kullik aufs Jugendamt. Die Gnadenfrist war abgelaufen. Schon vor
Wochen hatten Betty und ich  offizielle Einladungen mit der Post erhalten.
    Ich
trank Cola, Henry Bier. Er ging in letzter Zeit immer mehr zum Alkohol über,
was mir nicht gefiel, aber momentan hatte ich andere Probleme.
    „Kurt
hat mit ihr geschlafen“, sagte ich.  „Sie hat ganz schön lange gebraucht,
um mir das zu erzählen.“
    Sie
hatte sogar noch versucht, ihn zu entschuldigen: „Wir hatten beide getrunken.
Es war am Rande eines dieser Familienfeste. Ich war so voll, dass ich gar nicht
mehr richtig mitgekriegt habe, was da ablief. Bei ihm war das sicher kaum
anders.“
    Ich
hatte erwidern wollen, dass das keine Rechtfertigung sei, aber meine Zunge
hatte am Gaumen geklebt. Nur mein Gehirn lief auf Hochtouren, wenn auch etwas wirr.
Mordgelüste gegen Kurt durchzogen meinen Kopf wie Spinnweben. Ich könnte nicht
sagen, wie lange ich so dagesessen hatte, Betty gegenüber am Küchentisch, die
dampfenden Teetassen vor uns und eine riesige Wolke aus Schweigen um uns herum.
    Auch
jetzt, hier mit Henry im Bistro, waren meine Gefühle noch immer völlig
durcheinander.
    „Aber
wie gesagt“, wiederholte ich, „ich glaube nicht, dass das schon die ganze
Geschichte ist, wenn vielleicht auch ihr finsterstes Kapitel.“
    In
diesem Moment sah ich vor dem großen Fenster des Bistros Dean vorbeischlendern.
Das allein war nicht unbedingt eine Sensation, denn  er trieb sich öfter
in dieser Gegend herum. Außergewöhnlich schien mir nur, dass er allein war.
Nicht mal Thielke war zu sehen.
    Einer
plötzlichen Eingebung folgend klopfte ich an die Scheibe. Dean, offenbar ganz
in Gedanken versunken, sah überrascht hoch. Als er uns erkannte, sah ich ihm
an, dass er sich sofort davonmachen wollte. Dann aber riss er sich zusammen und
setzte sein schmierigstes Grinsen auf und blieb zunächst einfach stehen. Noch
schien er unschlüssig, ging dann aber doch mit schweren Schritten zum Eingang,
um ein paar Sekunden später vor uns zu stehen.
    „Setz
dich doch“, sagte ich. „Wenn du brav bist, kriegst du ne Cola.“
    Er
grinste wieder, setzte sich aber und rief zur Bedienung rüber: „Einen Tequila weiß!“
    Seine
Vorstellung beeindruckte uns nicht, wir grinsten ebenfalls. In Deans Gesicht
sah man noch immer die letzten Spuren der Abreibung, die ich ihm verpasst
hatte. Ansonsten war er aber schon wieder ganz der Alte.
    „Na“,
sagte er und legte seine Füße in den dicken Skater-Schuhen auf den letzten
freien Stuhl,  „waren die Bullen schon bei dir?“
    „Nicht
direkt“, sagte ich ganz ruhig. „Ist aber sowieso egal, ob schon jemand da war
oder nicht.“
    „Findest
du?“, fragte Dean.
    Die
Bedienung war kaum älter als wir. Sie brachte Deans Tequila und er glotzte ihr aufdringlich auf den Busen. Dass ich Dean alleine erwischt
hatte,  schien mir der erste Glücksfall seit langem.
    „Findest
du nicht?“, setzte ich unser Geplänkel fort.
    „Nein“,
meinte Dean, „finde ich nicht. Finde ich ganz und gar nicht.“
    Henry
blickte nervös von einem zum anderen.
    „Es
ist deshalb egal“, sagte ich so langsam wie möglich, „weil du deine Anzeige
zurückziehen wirst.“ Ich hob mein Glas in seine Richtung und trank.
    „Hältst
du mich wirklich für so bescheuert?“, fragte er.
    „Natürlich
halte ich dich für bescheuert“, sagte ich ruhig. „Aber die Anzeige wirst du
zurückziehen, weil dir noch ein letztes Fünkchen Verstand geblieben ist."
    Dean
lief dunkelrot an, er kochte vor Wut.
    „Was
willst du damit sagen?“, zischte er, kippte seinen Tequila auf Ex und unterdrückte mit Mühe einen Hustenanfall.
    „Ich
kann mir gar nicht vorstellen“, meinte ich,
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