Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm
Autoren: Olaf Buettner
Vom Netzwerk:
Augenblick
vorbei.
    „Wir
dürfen das nicht“, sagte Betty und streichelte meinen Kopf. „Wir dürfen uns
nicht küssen. Und wir dürfen uns nicht lieben. Ich bin nicht nur deine Tante,
ich bin deine Pflegemutter. Und ich bin fast siebzehn Jahre älter als du. Du
solltest bei Luisa bleiben.“
    „Aber
ich will das nicht“, sagte ich. „Ich will mit dir zusammen sein, nur mit dir.“
    „Aber
es geht nicht“, sagte Betty und plötzlich klang ihre Stimme hart, ich erkannte
sie nicht wieder. „Es ist unmöglich, Julian. Wir ... wir müssen uns trennen. Es
geht nicht, dass wir ...“
    Im
nächsten Augenblick küssten wir uns ein zweites Mal. Noch nie zuvor war
irgendetwas so gut gewesen. Ich war vollkommen sicher, dass ich sie nie wieder
loslassen würde.

 
    22
     
    Hier
ist es gar nicht mal so übel. Und immerhin hatte ich die Ruhe, dies alles aufzuschreiben.
Ich habe ein Zimmer für mich, das ich sogar nach eigenen Vorstellungen
einrichten konnte. Das war aber Glücksache: Eine Neuausstattung war gerade
fällig.
    Es
wohnen noch sechs andere hier, mit denen ich einigermaßen klarkomme. Auch die
Betreuer könnte ich mir übler vorstellen. Sie sind in Ordnung, auch wenn alle
natürlich ständig über sie meckern. Betty fehlt mir wahnsinnig.
    Bei
dem Gespräch damals auf dem Jugendamt habe ich zu ihrem Vorschlag, ich solle in
eine Jugendwohngemeinschaft ziehen, nichts gesagt. Natürlich wollte ich das
nicht und hätte mir lieber ein Ohrläppchen abgeschnitten oder eine Glatze
geschoren, aber ich hatte kapiert, dass Betty in dieser Sache nicht mehr mit
sich reden ließ.  Nicht nach der Nacht, die hinter uns lag. Diese Nacht,
die immer in mir weiterleben wird. Betty war entschlossen, unser gemeinsames
Leben aufzugeben. Daran gab es nichts zu rütteln.
    Alle
reagierten verblüfft auf ihren Vorschlag und machten große Kulleraugen, nur ich
nicht. Ich war überhaupt nur erschienen, um zu hören, ob sie ihr Vorhaben
tatsächlich wahr machte. Ob sie es tatsächlich sagen würde, so wie sie es mir
beim Frühstück angekündigt hatte. Ich sah niemanden an, saß da wie ein Stein.
Als sie das Urteil ausgesprochen hatte, stand ich wortlos auf und ging.
    Ich
hatte keine Ahnung, wohin, aber ich musste raus. Ich konnte sie alle nicht mehr
ertragen. Weder Kullik noch Martha und jetzt nicht mal mehr Betty. Sogar mich
selbst konnte ich nicht ertragen, aber vor mir konnte ich nicht weglaufen.
    Ein
Ohrläppchen habe ich mir zwar nicht abgeschnitten, aber die Sache mit der
Glatze habe ich in die Tat umgesetzt. Ich bin direkt zum Friseur, zu
irgendeinem, der grad auf dem Weg lag und hab mich dort ratzekahl scheren
lassen. Es sah bescheuert aus, aber das war mir egal, denn ich fühlte 
mich genauso, wie ich aussah.
    Zwei
Tage später bin ich hier eingezogen. Betty und ich sind uns eine Weile komplett
aus dem Weg gegangen, haben uns ein paar Wochen lang nicht gesehen.
    Dean
hat seine Anzeige wegen Körperverletzung tatsächlich zurückgezogen. Aber er hat
nicht aufgehört, um Luisa zu kämpfen. Obwohl Luisa ihm inzwischen noch einmal
deutlich gesagt hat, dass sie nichts mehr von ihm wissen will. Vielleicht liebt
er sie ja genauso sehr, wie ich Betty liebe.
    Luisa
besucht mich fast jeden Tag und in letzter Zeit gehe ich auch manchmal zu ihr.
Hin und wieder schauen wir uns einen Film an oder unternehmen etwas zusammen.
In Atlantis waren wir aber noch nicht wieder.
    Im
Augenblick sind wir gute Freunde. Ich weiß nicht, ob sich das noch mal ändert.
Ich mag sie unheimlich gerne und manchmal glaube ich sogar, dass es vielleicht
auch ein bisschen mehr ist. Manchmal glaube ich, dass Luisa noch immer mit mir
nach Atlantis will. Und warum sollten wir es nicht irgendwann tun?
    Meine
Freundschaft mit Henry ist von alldem unberührt. Ich glaube, wir bleiben
Freunde, bis wir alte Knacker sind. Und dann hocken wir irgendwo am Kamin,
starren ins Feuer und quatschen über Betty und Ulla, unsere ersten Lieben. Wer
weiß?
    Ungefähr
vier Wochen, nachdem ich hier eingezogen bin,  stand eines schönen Tages
völlig überraschend Betty auf der Matte. Sie tat ganz selbstverständlich. Ich
auch. Hallo, wie geht’s, gut, und so weiter. Sie hat auf meinem Zimmer Kaffee
mit mir getrunken und schließlich wie nebenbei erwähnt, dass sie in die USA
geht. Etwas später hat sich rausgestellt, dass sie mit Roger dorthin wollte.
Ich hatte keine Ahnung, wieso der plötzlich wieder seine Finger im Spiel hatte,
aber es schien, dass sie sich mittlerweile
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher