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Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm
Autoren: Olaf Buettner
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Augenblick wäre ihm
mein Glas an den Schädel geflogen, ich hatte schon zum Wurf angesetzt.

 
    21
     
    Zum
allerersten Mal wählte ich diese Nummer. Betty hatte sie auf einem
Zeitungsschnipsel notiert und an die kleine Pinnwand in der Küche geheftet. Die
Ziffern waren mittlerweile verblasst, kaum noch lesbar. Meine Hände zitterten
etwas, als ich die Tasten drückte. Ich war gerade aus dem Bistro nach Hause
gekommen.  
    Ich
hörte: „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ und versuchte es noch einmal.
Obwohl ich mittlerweile fast zwei Jahre mit Betty unter einem Dach lebte,
wusste ich zwar, wo sie arbeitete, aber nicht, was genau sie dort machte. Ich
kannte noch nicht mal den Namen der Bar.
    Beim
zweiten Mal kam ich durch, aber keiner nahm ab, vielleicht hatte ich mich
wieder verwählt. Ich machte noch einen Versuch.
    Betty
hatte auch von sich aus nie über ihre Arbeit geredet. Klar war nur, dass sie
dort Männer kennen lernte. Finanziell kam sie über die Runden.
    Manchmal
hatte ich mir schon gewünscht, die Umgebung zu sehen, in der sie arbeitete.
Einfach weil Betty mir wichtig war. Aber schließlich war ich diesem Wunsch nie
nachgegangen, weil ich dachte, dass es besser war, wenn ich das alles nicht
sah.
    Beim
dritten Versuch hatte ich endlich Glück. Eine freundliche weibliche Stimme
meldete sich.
    „Hier
ist das Esmeralda, Elena am Apparat“, sagte sie. „Guten Tag.“
    „Ist
Frau ... äh, ich meine, ist Betty da?“
    „Ja“,
säuselte Elena in den Hörer und dann hörte es sich an, als ob sie einen Zug von
ihrer Zigarette nahm, „die ist da.“
    „Ich
muss sie dringend sprechen“, sagte ich.
    „So
eilig?“, witzelte sie. „Leider geht es im Moment gerade nicht.“
    Da
hätte sie mir genauso gut mit der Faust in den Magen schlagen können. Jeder
Zweifel an der Art von Bettys Tätigkeit erlosch in mir. Bisher war noch alles
drin gewesen: von Klofrau über Kellnerin bis hin zu ... Jetzt hatte ich die
Bestätigung. 
    „Da
müssen Sie vielleicht etwas später noch mal anrufen“, schlug Elena vor. „Oder
kommen Sie am besten vorbei.“ Sie erklärte mir den Weg.
    Ohne
ein weiteres Wort legte ich auf. Ich schnappte mir meine vom Regen noch völlig
durchnässte Jacke und rannte nach draußen. Ich fuhr mit dem Rad. Keine halbe
Stunde später war ich beim Esmeralda angekommen.
    Der
Türsteher sah aus wie Thielke, nur zwanzig Jahre älter. Auch die
Humorlosigkeit, mit der er mir den Weg vertrat, passte exakt. Das gehörte
sicher zur Show, denn umso besser musste sich jeder fühlen, der es an diesem
Fleischberg vorbei geschafft hatte in die Arme von ... Nein, ich weigerte mich,
mir das vorzustellen. Mir wurde übel und am liebsten hätte ich Thielke Zwei
direkt vor die Füße gekotzt.
    „Wenn
Sie mich schon nicht reinlassen “, startete ich einen
zweiten Versuch, „können Sie dann wenigstens Betty herrufen. Ich muß unbedingt mit ihr reden.“
    Thielkes geistiger Vater zeigte sich ungerührt wie ein See-Elefant. Er verschränkte die
Arme vor der fetten Brust und glotzte nur. Gerade wollte ich ihm sagen, dass
sie meine Tante war, hielt dann aber die Klappe. Ein Blick in seine stumpfen
Augen sagte mir, dass es keinen Sinn machte.
    Mittlerweile
war ich klitschnass, aber ich dachte nur an Betty, an das, was ich sie fragen
wollte. Und daran, dass sie da drinnen war. Noch immer wusste ich nicht, was
sie in diesen schlecht beleuchteten Räumen machte, aber die düstersten
Phantasien wucherten in meinem Kopf wie Schlingpflanzen im Dschungel.
    Ich
war ratlos und zog mich hinter die nächste Hausecke zurück, weil dieser Bulle
mich einfach nicht aus seinen misstrauischen Schweinsäuglein ließ. Weit und
breit gab es keine Möglichkeit, mich unterzustellen. Also blieb ich mitten auf
der Straße im Regen stehen, den Fahrradlenker in der Hand. Trotz all der Nässe
fühlte ich mich wie eine ausgepresste Pampelmuse.
    Meine
Idee war nicht gut, aber sie war die einzige, die ich hatte und so schwang ich
mich aufs Rad. Ein lausig kalter Wind fegte durch die Straßen. Ich zitterte am
ganzen Körper, aber das Gefühl, zu frieren, erreichte mich nicht.
      
    Mit
klitschnassen Klamotten und von Wasser triefendem Haar machte ich mich Zuhause
erneut über das Telefon her. Der Zettel mit der Nummer lag noch auf dem Tisch.
Ich hoffte, dass wieder ihre Kollegin dran war, denn ich wusste nicht, ob ich
es schaffen würde, Betty diesen Bären aufzubinden.
    In
meinem Kopf herrschte das totale Chaos und ich war sicher, dass nur
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